Bas kritisiert Röslers Gesundheitspolitik

Die politische Internet-Zeitung aus Duisburg

Donnerstag, 21. Januar 2010, gegen 17:10 Uhr: die Duisburger Abgeordnete Bärbel Bas (SPD) hält ihre erste Rede im Deutschen Bundestag. Hier der Wortlaut:


Frau Präsidentin,
sehr geehrte Damen und Herren,

für mich wie für Sie, Herr Dr. Rösler, ist es der 1. Haushalt im Deutschen Bundestag. Da Sie mit den Worten angetreten sind, das Kranken- und Pflegeversicherungssystem besser und gerechter machen zu wollen, habe ich im Haushalt mal zwischen Zahlen und Zeilen nach ihren Prioritäten gesucht. Leider sind keine zu erkennen. 

Wo, Herr Dr. Rösler, sind z. B. ihre Konzepte, um gerade für ältere, chronisch kranke und behinderte Menschen eine wohnortnahe medizinische Versorgung sicherzustellen? Wir leisten uns für fast 30 Milliarden € eine qualitativ hochwertige ambulante Versorgung. Wir sind aber offensichtlich nicht in der Lage, diese immer zielgenau dort hin zu steuern, wo die Menschen sie brauchen.
Damit meine ich nicht nur die fehlenden Ärzte auf dem Lande. Auch Städte wie Duisburg haben laut Statistik der KV eine ausreichende oder sogar Überversorgung mit Haus- und Fachärzten. Trotzdem gibt es sozial schwache Stadtteile, in denen z. B. kein Kinderarzt mehr zu finden ist.

Alleine mit einer Aufhebung der Budgetierung bei ambulanten Leistungen, wie es der Patientenbeauftragte vorgeschlagen hat, werden wir keinen Arzt in diese Stadtteile bekommen. Mal abgesehen davon, dass Sie auch an der Stelle nicht sagen, wie sie das finanzieren wollen.
Solange es die unterschiedliche Honorierung von Leistungen für gesetzlich und privat Versicherte gibt, bleibt es für Ärzte attraktiv, sich in wohlhabenderen Stadtteilen niederzulassen. Im Ergebnis haben wir unterversorgte Gebiete in überversorgten Regionen.
Wo sind Ihre Vorschläge zur Verbesserung der Prävention und Kindergesundheit? Wo sind Ihre Vorschläge für eine menschenwürdige und qualitätsgesicherte Pflege?
Das einzige, was Ihnen einfällt, sind klientelorientierte Systemumstellungen. In der Pflege wollen sie eine verpflichtende private Zusatzversicherung einführen. Viele Bürgerinnen und Bürger nicht wissen schon heute nicht, wie sie es bezahlen sollen. Und in der Krankenversicherung wollen Sie eine einkommensunabhängigen Kopfpauschale mit Sozialausgleich.
Durch Ihre angestrebten Finanzierungsmodelle und Ihre einseitige Bevorzugung der Privatversicherung werden weder die Qualität der Versorgung verbessert noch vorhandene Effizienzreserven im System erschlossen. Das Gegenteil dürfte der Fall sein. Fehlsteuerungen und eine Zwei-Klassen-Medizin werden von Ihnen nicht beseitigt, sondern zementiert.

Ich höre in Ihren Reden immer wieder die Worte „mehr Wettbewerb“. Sie wollen mehr Wettbewerb? Gerne, dann muss er aber auch fair sein – das geht nur, wenn GKV und PKV auch gleiche Wettbewerbsbedingungen haben. Das heißt u. a.: Keine unterschiedliche Honorierung der Leistungen und voller Einbezug der PKV in den Risikostrukturausgleich.
Sie reden auch viel von mehr Gerechtigkeit und tun doch das Gegenteil. Mit Ihrer Kopfpauschale setzen sie wichtige Prinzipien unseres Sozialsystems außer Kraft: Dass Gesunde für Kranke und Leistungsstarke für sozial Schwache einstehen.
Ihre Kopfpauschale benötigt einen Sozialausgleich, der nach Berechnungen Ihres Finanzministers mindestens 35 Milliarden € kosten wird. Finanzieren wollen Sie den Sozialausgleich mit Steuereinahmen aus dem Wirtschaftswachstum.
Also mit Geld, was Sie noch nicht haben und von dem sie auch nicht wissen, wie viel es sein wird. Wissen sie, wie ich das nenne? Eine Finanzblase! Und die wird spätestens nach der Landtagswahl in NRW platzen.
Denn mit dem gleichen Wirtschaftswachstum wollen Sie die Mehrausgaben für ihre Klientelpolitik decken, den Haushalt konsolidieren und die große Steuerreform im Jahr 2011,  2012 oder 2013 finanzieren. Das kann nicht funktionieren, meine Damen und Herren.

Sie selbst, Herr Dr. Rösler, haben in einem Interview gesagt: „Wir werden uns neben der Frage einer fairen Finanzierung auch um die Ausgabenseite kümmern.“ Heißt das, dass wir nach der Steuerschätzung im Mai und damit nach der Landtagswahl in NRW mit Leistungskürzungen oder sogar einer „Gesundheitssteuer“ – wie Herr Schäuble sagt - rechnen müssen?
Ihr Kollege Otto Fricke hat uns vorgestern einen schönen Taschenspielertrick vorgeführt. Jetzt zeig ich Ihnen mal, wie ihre Finanzpolitik aussehen wird. Sie stecken den Bürgern 10 € durch Steuersenkungen in die eine Tasche und nehmen ihnen 20 € aus der anderen für die Sozialversicherung wieder raus.

Damit steht für mich schon das Unwort des Jahres 2011 fest:
„Mehr Netto vom Brutto“.

 

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