Beck zwischen den Welten

Die politische Internet-Zeitung aus Duisburg

Klasse: Angela Gareis´ Bericht über eine Betriebsbesichtigung in Berlin. Nun ja, „Bericht“, besser: ein rhetorischer Meisterspaß über Kurt Beck. Überschrift: „Zwischen den Welten“. Ein echter Hammer ! Und wieder einmal schmeißt sich WAZ-Leser turbo_40, der Ihnen bereits bekannte Genosse, für den Parteivorsitzenden in die Matsche. Mit einer - wie er sich ausdrückt – „Analyse von einem kritischen Leser“, eine Stilfrage, dieser Genitiv mit „von“. Eine inhaltliche Frage: der Kronzeuge, nämlich Prof. Karl-Rudolf Korte, Politikwissenschaftler an der Uni Duisburg-Essen und Leiter der "NRW-School of Governance". Andererseits sollten an einen SPD-Vorsitzenden keine elitären Anforderungen gestellt werden; es genügt, ihm mit Respekt unter die Augen zu treten. „Etwas mehr Respekt wäre da schon angebracht“, mahnt der Turbo die WAZ-Redakteurin. Na, was hat sie denn nun Böses geschrieben?
Wie gesagt, Überschrift:

„Zwischen den Welten“

Weiter geht´s mit der Unterüberschrift: „Wenn Kurt Beck nah´ bei den Menschen ist“ – und das ist er „an Werkbänken, wo er zwischendurch an einem Brett sägt oder etwas hobelt“ – dann „wirkt der bodenständige SPD-Chef authentisch und sympathisch“. Astrein: er „wirkt“ dann so; aber er ist nicht authentisch, schon gar nicht, wenn Klaus Wowereit sich im Hintergrund einen grinst. Er „wirkt“ – Achtung: „sympathisch“. Nun gut: „Ganz egal, wie sympathisch Beck in dieser Szene wirkt, man stellt sich sofort vor, was ... intellektuell höhermögende Sozialdemokraten denken würden.“ Kurt Beck, schreibt Frau Gareis, „wirkt sympathisch“, denn er ist „bodenständig“. Der ganze Artikel gepfeffert und gesalzen mit Anekdoten von der Betriebsbesichtigung; hier nur diese: Kurt Beck zu einer Frisörin, die an einem Puppenkopf übt: "Meine Frau sagt immer, ich hab'

Haare wie ein Meerschweinchen

Becks Frau ist Frisörin und muss es wissen.“ Bevor Sie mir jetzt Vorhaltungen machen im Stil „alle gegen einen Schwachen“, bedenken Sie bitte, dass es mir schon vor einem halben Jahr weh getan hat, als Deutschlands Oberintellektueller, Cicero-Chef Weimer, meinte klarstellen zu müssen: „Über Kurt Beck politische Witze zu machen, ist derzeit so billig wie San-Marino-Scherze im Weltfußball.“ (Wolfram Weimer: Warum zerfällt die SPD? in: Cicero 10/2007, S. 162).
„Alle gegen einen Schwachen“? Ob ich da kein Mitleid habe ? – Gegenfrage: als Beck auf einem pfälzischen Marktplatz einen angetrunkenen Arbeitslosen, der ihm bzw. uns die Schuld für sein Schicksal zugewiesen hatte, anpöbelte mit der Bemerkung, er möge sich mal waschen und rasieren (!), was glauben Sie wohl, auf wessen Seite das anwesende Volk da gestanden hat ?
Aber dem Herrn Cicero-Chef ging es nicht um Solidarität mit einem Schwachen; er findet Beck-Witze schlicht „billig“. Ein Hinweis, der mir seit Jahrzehnten von etlichen Uni-Bluffern bekannt ist: „Werner, das ist mir zu platt !“ – Nun gut, entgegne ich dann, billig hin, platt her, wissen muss man es schon. Und selbst wenn auch schon der Letzte wissen sollte, dass Kurt Beck nicht zu den „intellektuell höhermögenden Sozialdemokraten“ gehört, gilt das Brecht-Wort: „Lasst uns das tausendmal Gesagte immer wieder sagen!“ - Denn es ist ja

alles längst kein Spaß mehr

Die SPD war bereits vor Becks Vorsitz in einer Krise. Beck aber hat die SPD in die schwerste Krise ihrer bundesdeutschen Geschichte hinein gefahren. Hier gilt allerdings der mildernde Umstand: er kann nicht anders.
Aktuelles Beispiel. Das Beck-Modell zur Bahn-Privatisierung. Den Parteirechten ist die offensichtliche Absurdität der Trennung von Personennah- und -fernverkehr ein willkommener Anlass, steinhart auflaufen zu lassen, den Beck und damit auch die Parteilinken. Den Parteilinken wiederum – obgleich in der Mehrheit – fehlt der Mumm, das Beck-Modell als das zu bezeichnen, was es ist; denn der Kurt ist ja ihr „Beschützer“: Helden wie unser turbo_40. Nix da, könnten sie rufen, der Nahverkehr wird natürlich nicht privatisiert, der Fernverkehr aber auch nicht ! Wenn Ihr unbedingt etwas privatisieren wollt, okay: mit uns Linken kann man über den Güterverkehr reden (Teilprivatisierung, max. 49 %). Die internationale Logistik - Übersee-Geschäft, Schenker-Gruppe etc. – kann ruhig privatisiert werden; aber verscherbelt diesen wertvollen Bundesbesitz nicht für nen Appel und en Ei !
Wie gesagt: das traut sich der Linke von heute nicht. Kurt könnte ja böse werden. Und so taumelt Beck zwischen den Flügeln, rückt von seinem Bahnmodell selbst schon wieder ab, verordnet allen in der Parteiführung einen Maulkorb, bis er etwas Neues hat – und während sich die Fronten verhärten, die SPD sich munter weiter spaltet, macht Pofalla mit leichter Hand seinen Job, plaudert Angela (die Merkel) vergnügt mit Königin Sylvia und schreibt ihre Bewunderin Angela (die Gareis) gekonnt über Kurt Beck, den „Bodenständigen“.

Werner Jurga, 13.04.2008

 

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