Welche Wahl eigentlich?

Die politische Internet-Zeitung aus Duisburg

Fortsetzung des Textes „Wahljahr! Super!“ vom 08.04.2009

Es ist Wahljahr. Super! Welche Wahl eigentlich?
Da gibt es nämlich mehrere. Auch super. Und genau deswegen heißt dieses Wahljahr nicht nur Wahljahr, sondern – jedenfalls dieses Mal – Superwahljahr.

Okay, es ist noch etwas hin bis zur Wahl, schrieb ich recht leichtfertig. In dieser Unverbindlichkeit stimmt dieses Selbstzitat zwar in jedem Fall, und weil im Textzusammenhang nur die Bundestagswahl gemeint sein konnte – denn nur bei der kann man zwischen Kapitalismus und Sozialismus wählen -, stimmt es so was von …
Sie ist nämlich als letzte dran, die Bundestagswahl. Sie dürfen nämlich erst Ende September, nur mal so als Beispiel: Guido Westerwelle zum Bundesaußenminister wählen. Wenn Sie unbedingt wollen, versteht sich. Oder Hartz IV weg machen, natürlich auch nur, wenn sie Gerechtigkeit wollen, versteht sich ebenfalls. Oder, oder, oder …
Sollten Sie jetzt nicht wissen, wen, exakter: welche Partei Sie wählen wollen, machen Sie sich nichts draus. Es ist nämlich – wie gesagt – noch etwas hin. Bis zur Bundestagswahl; das ist ja wohl die wichtigste. Meinen Sie.

Bundestagswahl

Spätestens hier wird klar, dass Sie nicht Mitglied einer politischen Partei sind. Gut, mir war dies auch schon ein Schritt zuvor klar; denn wären Sie Parteimitglied, wüssten Sie ja, wen Sie zu wählen haben. Kleinkram.
Ich will auf etwas Anderes hinaus, nämlich – überlegen Sie doch mal: wären Sie Mitglied in einer Partei, also so richtig, d.h. in ernst zu nehmender Art und Weise oder zumindest aus in ernst zu nehmenden Gründen, dann fänden Sie nicht die Bundestags-, sondern die Kommunalwahl die wichtigste. Die Wahl. Exakter: die Wahlen; denn kommunal wird ja – bleiben wir beispielhaft in Duisburg – ja nicht nur der Oberbürgermeister gewählt, sondern auch noch die Stadträte und –rätinnen sowie die Bezirksvertreter und –innen. Also: die Kommunalwahlen.
Und die sind eigentlich die wichtigsten. Wenn Sie in Ihrer Partei mitmachen, dann wollen Sie vermutlich wissen, ob das Plakatekleben und Zettelstecken etwas gebracht hat. Oder Sie sind selbst Kandidat, ja klar: dann wird es richtig spannend. Oder Sie haben nur deshalb das Parteibuch, weil Sie bei der Stadt oder in einer städtischen Gesellschaft etwas werden wollen – ja, dann ist so ein Kommunalwahlergebnis möglicherweise auch interessant.

Kommunalwahl

Und so der Herr es will, finden diese Kommunalwahlen in NRW vier Wochen vor der Bundestagswahl statt. So will es der Herr Rüttgers, damit die Kommunalwahl nicht von der Bundestagswahl thematisch überdeckt werde. Und schon im Juni findet die sog. Europawahl statt. Eigentlich wollte der Herr Rüttgers die Kommunalwahl zusammen mit der Wahl zum Europäischen Parlament durchführen; aber das fanden die Verfassungsrichter etwas zu früh. Womit sie zweifellos Recht hatten: vier Monate die gewählten Amtspersonen und gleichzeitig die in Amt und Würden stehenden. Geht nicht. Klar.
Klar ist auch, dass es Rüttgers nicht um demokratische Feinheiten oder die Kosten der Wahlveranstaltungen geht, sondern einzig und allein um ein gutes Abschneiden der CDU. Mein Gott ja, das ist sein Job. Glaubt er. Thematisch überdeckt wurde jedenfalls mit der Europawahl Nichts, aber auch gar nichts. Denn die – hier sind wir ja unter uns, hier dürfen wir es ja mal klipp und klar sagen – interessiert nun wirklich kein Schwein.

Europawahl

Europawahl – ja, ich weiß, so sagt man das nicht! Was gäben andere Völker dafür, frei und geheim wählen zu können?! Ja, aber das können wir ja. Unseren Bürgermeister, in Duisburg also den Oberbürgermeister, unsere Volksvertreter in Berlin, also unsere Bundestagsabgeordneten, womit Unsereins zwar nicht direkt, aber doch indirekt die Möglichkeit hat mitzubestimmen, ob Guido Westerwelle nun endlich zum Wohle Deutschlands Außenminister werden darf, ob Hartz IV endlich wegkommt, und ob wir statt dieses Scheiß Kapitalismus´ nicht mal – mit aller gebotenen Vorsicht, versteht sich – so ein kleines bisschen Sozialismus einführen sollten. Ohne Mauer und so, versteht sich.
Da bringt mir doch so eine Europawahl rein gar Nichts. Logisch: da kann der Guido Westerwelle gar nicht Außenminister werden, weil die in Brüssel gar keinen richtigen Außenminister haben, und wenn Sie einen hätten, vermutlich jeden Zweiten von der Straße nehmen würden, aber nun nicht gerade – okay, das ist natürlich reine Spekulation. Aber Hartz IV haben die in Brüssel nicht, ganz bestimmt nicht, was an und für sich schon einmal ziemlich gerecht ist, aber trotzdem …

Gut, den Kapitalismus Abschaffen, das könnte man noch am ehesten auf europäischer Ebene, will man aber wohl eher nicht. Was also soll die Europawahl? Warum sollten Sie, der Sie ja in keiner Partei sind, da überhaupt hingehen.

Antwortmöglichkeit Eins „weil in Brüssel so viel Wichtiges entschieden wird“ vermag nicht so recht zu überzeugen. Zwar wird in Brüssel tatsächlich viel Wichtiges entschieden; das wirklich Wichtige jedoch nicht im Parlament. Und wenn das EU-Parlament doch einmal wirklich Wichtiges entscheidet, dann getragen von Konservativen und Sozialisten.

Antwortmöglichkeit Zwei „weil die EU-Wahl ein Test für die Bundestagswahl ist“ ist ein gewaltiges Argument für die Parteien, ihre Mitglieder und Anhänger. Sollten Sie also, auch ohne Mitgliedschaft, parteipolitisch festgelegt sein, dann würde ich hingehen. Ansonsten kann Ihnen dieser „Echt-Test“ freilich ziemlich schnurze sein.

Um Antwortmöglichkeit Drei „weil eine hohe Wahlbeteiligung gut für die Demokratie ist“ geht es ausführlich im nächsten Text. Heute nur so viel: auch Dinge, die immer und immer vorgetragen werden, müssen nicht unbedingt stimmen. So auch bei diesem Argument. Es kommt immer darauf an, ob sich Demokraten oder Nicht-Demokraten in großer Zahl an einer Wahl beteiligen. Das ist unmittelbar einleuchtend und dennoch wert, sich genauer anzusehen. Nächstes Mal.
Was die Europawahl im Juni betrifft, spricht nichts dafür, dass Rechtsextremisten einen Wahlerfolg erringen könnten. Wenn es Ihnen „nur“ darum gehen sollte, deutsche Nazis im EU-Parlament zu verhindern, können Sie guten Gewissens zu Hause bleiben.

Und, um auch dies klipp und klar zu sagen: weder bei der CSU noch bei den „Freien Wählern“ handelt es sich um Rechtsradikale, geschweige denn um Schlimmeres. Es sind ganz normale bürgerliche Rechte. Wenn Sie denen dennoch – oder gerade deshalb nichts - gönnen, dann sollten Sie unbedingt zur EU-Wahl gehen. Am besten: Sie wählen dann die SPD (kann ich wirklich nur empfehlen!). Sie können aber auch die Tierschutzpartei (sollte sie kandidieren) wählen. Oder diese puzzeligen Naturgesetz-Schneidersitz-Hüpfer. Oder wen Sie wollen. Hauptsache, Sie geben  eine gültige Stimme ab. Das reicht völlig aus … und die CSU ist raus.

Werner Jurga, 09.04.2009                                                           wird fortgesetzt

 

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