Zwangsheiraten

Die politische Internet-Zeitung aus Duisburg

.Sachen gibt´s, die gibt´s gar nicht, z. B.

Zwangsheiraten

Nun kann es ja Zwangsheiraten nur geben, wenn es Heiraten gibt. Freilich ist nicht das Verb gemeint (würde ja klein geschrieben), sondern der Plural. Zweifellos gibt es eine Heirat – z.B. „spätere Heirat nicht ausgeschlossen“. Gibt es dann auch zwei Heiraten? Schwer zu sagen, bei „Frauen mit Migrationshintergrund“ scheinbar schon; allerdings keine Zwangsheiraten. Die sind nämlich „bei uns kein Thema“, meint Frau Y. von der Ditib-Begegnungsstätte in Marxloh (alle Zitate aus: WAZ Duisburg, 28.09.2007).

Was heißt jetzt aber „kein Thema“? – Wäre es eine Anleihe aus der Sprache dynamisch-fetziger Golf-Cabrio-Fahrer, würde es ja so viel bedeuten wie: „Alles klar, machen wir, null Problemo; über Selbstverständlichkeiten brauchen wir nicht zu reden, ist also kein Thema!“
Okay, das wäre das, was ich eigentlich angenommen hätte, zumal auch Frau Y. einräumt: „Zwangsheiraten sind leider eine türkische Tradition“. Aber so meint sie das nicht – was aber dann?
Ich will sie nicht länger auf die Folter spannen: Frau Y. will uns tatsächlich weis machen, es gebe in Duisburg keine Zwangsheiraten – Tradition hin, Tradition her. So etwas war ja ganz früher auch in Europa Gang und Gebe. Ich verstehe: durchaus plausibel also, dass selbst in der Türkei Zwangsheiraten kein Thema seien. Da fügt dann allerdings auch die ihr wohlgesonnene WAZ-Redakteurin ein: „ihrer Meinung nach“.

Ob es Zwangsheiraten wirklich gibt oder nicht, ist nämlich nicht zuletzt auch Ansichtssache. Frau Y. „differenziert genau zwischen Zwangsheirat und einer arrangierten Ehe“. Die Differenz beschreibt Frau Y. differenziert im WAZ-Artikel. Sie selbst hat sich auf das Arrangement der Eltern nicht eingelassen, was wohl als Beleg für die Zwanglosigkeit herhalten soll. Hat einen anderen geheiratet, konnte ja nicht gut gehen. Traurig, traurig, die Ehe wurde geschieden. Y. lebt aber immerhin noch – unter diesen Umständen nicht immer eine Selbstverständlichkeit, wie wir wissen.
Allein nach Duisburg wandern nach Angaben von Frau Y. - jedes Jahr mehr als 600 „Heiratsmigrantinnen“ ein, wobei man wissen muss: "Bei uns sind die meisten Ehen arrangiert" (Frau Y.). Kurioserweise bleiben die in der Türkei aktiven Frauen hier ständig zuhause und werden depressiv. Dabei wurde doch alles so nett arrangiert. Und die jungen Frauen, meistens gebildet (sagt Frau Y.), meistens selbstverständlich Jungfrauen (sagt der Islam), wurden – wohl ebenso selbstverständlich – nicht gezwungen.
So ist das halt: auch das Bildungsprivileg schützt nicht vor einer unglücklichen Ehe. Meine erste Ehe ist auch in die Brüche gegangen; auch mich hat niemand gezwungen. Und eine unglückliche Ehe macht ganz schön depressiv, kann ich Ihnen sagen. Da kann man nichts machen. Oder doch? "Auch deshalb ist diese Begegnungsstätte so wichtig", sagt Frau Y. – wegen der Depressionen.

Pillen sind da keine Lösung. Viel besser ist da das Gespräch unter Gleichbetroffenen. Da können die frisch vermählten jungen Migrantinnen sich mal ganz zwanglos mit weiblichem Fachpersonal darüber austauschen, wie man mit einer solchen Situation besser umgehen kann. Ist ja auch wahr: die jungen Dinger heutzutage können echt nichts mehr wegstecken. "Auch deshalb ist diese Begegnungsstätte so wichtig", sage ich.

Werner Jurga, 08.10.2007

 

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