CBL, Duisburg und der Kapitalismus

Die politische Internet-Zeitung aus Duisburg

CBL, Cross-Border-Leasing. Ach Du lieber Himmel! Ehrlich gesagt, Finanzwissenschaft interessiert mich wirklich nicht. Nicht wirklich, habe ich Ihnen ja gestern schon erzählt.
Aber Sie vielleicht. Muss aber auch nicht; denn das stand ja in der NRZ:

Laut Dezernent Peter Langner ist
“Cross-border-leasing in Europa abgesichert"

Falls Sie sich vom gegenwärtig weit verbreiteten Misstrauen haben anstecken lassen: den Ausschnitt aus dem „Spiegel“ vom 29. September – hier ganz unten haben Sie ja schon lesen können. Und falls Ihnen das nicht reichen sollte, können Sie ja auch einmal kurz beim WDR reinhören. Es dauert auch nicht lange, nur zwei Minuten und 47 Sekunden. Falls Sie selbst dafür keine Zeit haben sollten, bitteschön, hier haben Sie den Schlusssatz, der den Radiobericht knapp zusammenfasst:

„Sicherheit gab es immer nur für einen: den amerikanischen Investor“

Warum und wieso? – Ich sagte, mir ist das alles so kompliziert. Ich nehme an, das liegt daran, dass die Kämmerer der anderen NRW-Städte, die wegen dieser CBL-Geschichten jetzt ganz schön Ärger am Hals haben, einfach nicht so clever waren wie unser Doktor Langner.
Außerdem scheint dieses CBL irgendwie ja auch eine tolle Sache zu sein. Da lese ich bei Wikipedia:

Schienennetz und Teile der U-Bahnhöfe in Duisburg erbrachten
49 Mio. Dollar (nach anderen Quellen 35,5 Mio. Dollar) Reinerlös.

Ist doch Spitze! Kann mir vielleicht von Ihnen jemand sagen, ob es nun 35,5 Mio. oder 49 Mio. Dollar sind? – Na egal, es kommt ja auf so popelige 13,5 Mio. Dollar nicht an. Nicht in diesen Zeiten! Nicht in Zeiten, wo wir uns über 30 Mio. Euro, also mehr als 40 Mio. Dollar Gedanken machen. Die hat nämlich die DVV (Duisburger Versorgungs- und Verkehrsgesellschaft mbH) bei den Lehman Brothers angelegt. Als Festgeld, versteht sich. Deshalb auch total sicher, versteht sich.
Das ist ja auch leicht zu verstehen: der Einlagensicherungsfonds haftet. DVV-Sprecher Schoofs teilt uns bestimmt mit, wenn es soweit ist.
Aber CBL, das ist schwer. Ich habe hier bei Mülheimer Stadträten etwas gefunden, nämlich eine

Chronologische Zusammenstellung zum Thema Cross-Border-Leasing u. ä.

21.09.08: WAZ-Recklinghausen: “Geheime Verträge - Die US-Finanzkrise wirkt sich auf Recklinghausen aus. Die Stadt spricht davon, dass Sicherungsmechanismen greifen, beruft sich aber auf vertragliche Vertraulichkeits-Verpflichtungen. Attac warnt vor übereilten Geschäften“. Der Vorläufer von PPP war CBL (Crossborder-Leasing). Droht jetzt mit der US-Finanzmarktkrise das ganz dicke Ende für all die Städte, die US-CBL vor Jahren abschlossen? Armes Bochum, Duisburg, Essen, Recklinghausen etc.?

25.09.08: Veranstaltung von Attac Recklinghausen ab 18 Uhr in Recklinghausen, Limperstr. 15, im Saal des ev. Kirchenkreises. Thema: cross-border-leasing war einmal, jetzt soll es PPP (public-privat-partnership) richten. Referent: Dr. Werner Rügemer, wegen der Finanzmarktkrise auch zur aktuellen Entwicklung im Finanzierungsgeschäft von CBL.

30.09.08: Die US-Finanzkrise wird immer bedrohlicher. Die Wall Street stürzte ab, die deutsche Bundesregierung buttert nach IKB und KfW weitere Milliarden in die bankrotte Hypo Real Estate. Die US-Finanzkrise offenbart aber auch das CBL-Desaster für viele Kommunen: “Jetzt zittern die deutschen Städte“ (FR), „Turbulenzen an der US-Börse - Geheime Verträge! Die US-Finanzkrise wirkt sich auf Recklinghausen aus.“ und „US-Finanzmarktkrise trifft auch Bochum“ (jeweils WAZ) und „Zittern und Schachern hinter den Kulissen – Crossborder-Leasing: Die Finanzkrise bringt Städten und Staatsunternehmen noch mehr Risiken. Offenlegung problematischer Klauseln wird als Vertragsverletzung geahndet“ (junge Welt). Die Welt steht am Rande eines finanzpolitischen Erdbebens, das verheerende Folgen haben kann.

Na, das scheint mir eine schöne Ratsfraktion zu sein. Bürgerinitiativen, pah. „Junge Welt“, da weiß ich doch schon Bescheid! Und in genau diesem Kommunistenblatt schreibt auch dieser Rügemer.
Ganze Bücher schreibt der über diese Dinge, die ich nicht verstehen kann. Heißt CBL jetzt neuerdings PPP? Gott, ist das alles kompliziert. Gut, dass wir Dr. Langner haben!

Werner Jurga, 07.10.2008

 

P.S. und damit eins klar ist: der Kapitalismus ist quicklebendig! Morgen mehr.

 

Werner Rügemer:
Cross Border Leasing: Ein Lehrstück zur globalen Enteignung der Städte
2. Auflage 2005

Kurzbeschreibung
Seit 1995 haben Hunderte Städte und öffentliche Unternehmen in Deutschland und Europa ihre Großanlagen wie Klär- und Wasserwerke, Straßenbahnen, Schulen und Messehallen an US-Investoren verkauft und zurückgemietet. Erst durch Rundfunksendungen von Werner Rügemer wurde "Cross Border Leasing" seit 2002 zu einem öffentlichen Thema.
Er schildert die Entstehung und Struktur dieses Finanzprodukts der "New Economy" in den USA, ihre Verwandtschaft mit anderen Formen öffentlicher Enteignung, ihr Ausmaß in den wichtigsten europäischen Staaten sowie die Arbeitsmethoden der Leasingbranche. Erstmalig legt er jetzt die bisher geheimen Vertragsinhalte dieser Konstrukte fiktiver Kapitalbildung in vollem Umfang offen.

Werner Rügemer:
»Heuschrecken« im öffentlichen Raum. Public Private Partnership
Anatomie eines globalen Finanzinstruments, 2008.

"Werner Rügemer hat [...] die erste systematische PPP-Analyse in deutscher Sprache vorgelegt. Akribisch hat er Zahlen und Fakten über Projekte in Großbritannien und der BRD zusammengetragen, was eine substantielle Kritik an den Glaubenssätzen der 'PPP-Sekte' (Rügemer) ermöglicht." Jörn Boewe, Junge Welt, 31.05.2008 "Werner Rügemer lüftet in seinem jüngsten Buch die Geheimnisse der 'partnerschaftlichen' Investitionsprojekte. Er erhebt dabei nicht den Anspruch einer umfassenden Analyse, die derzeit wohl nicht möglich wäre. Rügemer will vielmehr anhand einiger spektakulärer PPP-Projekte und der gesammelten Erfahrungen die kritische Öffentlichkeit sensibilisieren [...]. Wer sich auf 'Public Private Partnership' einlässt, betritt vermintes Gelände. Kommunalvertreter sind deshalb gut beraten, Werner Rügemers leicht lesbares Buch zu studieren." Dieter Janke, Neues Deutschland, 12.06.2008 "Dieses Buch müsste zur Pflichtlektüre von Stadträten werden, damit sie lernen, dass PPP ('ein faktenresistentes Glaubensbekenntnis') nicht nur ein skrupelloses Täuschungsmanöver ist, sondern auch, dass der vielgeschmähte Staat die meisten Projekte preiswerter, qualitätsvoller und, verblüffend für alle Ideologen, effektiver verwirklichen könnte!"
Ulla Lessmann, NRhZ-Online, 04.06.2008

aus dem “Spiegel” vom 29.09.08 - Heft 40 / 2008

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