Zu Wasser und in der Luft

Die politische Internet-Zeitung aus Duisburg

„Selbstbedienen ist angesagt“

betitelte die Duisburger WAZ in der letzten Woche ihren Kommentar dazu, dass „bei der Anpassung der Aufsichtsratsvergütungen im Kontrollgremium von duisport sich die Dotierung für den Vorsitzenden um 300 Prozent erhöhte.“ (kajo) Das empfand ich als „eine Frechheit!“
Daraufhin meinte – auf derwesten.de - der mir nicht näher bekannte „Boris“:

Ja, eine Frechheit sind derartige tendenziöse Kommentierungen (nämlich die beiden – einer von kajo, einer von mir), die nur dazu geeignet sind, die Ablehnung von Demokratie durch Politikverdrossenheit zu fördern. Wer Parteiendemokratie und ihre angemessene Finanzierung ablehnt, tut dies ebenfalls.

Das ist immer dasselbe. Kaum hat man an „denen da oben“ etwas auszusetzen, fördert man die Ablehnung der Demokratie. Das war auch schon in der Sache „Ballermänner in Chinatown“ so. Haben die „hohen Herren“ im Duisburger Rathaus etwa Schreiberlinge, die sogleich den Untergang der Demokratie beschwören, wenn mal gefragt wird, ob der Hals nicht voll genug ... oder schreiben die gar selber unter Künstlernamen?
Wie auch immer: da ich mich nicht von diesen Rettern der Demokratie belehren lassen wollte, sah ich mich gezwungen, meinen ausführlichen Kommentar – ich beließ es bei der „Frechheit“ - zu präzisieren.

Lieber Boris,
schon recht: mein Kommentar ist tendenziös, kajo´s auch; sonst wären sie ja keine. Was mich betrifft: ich befürworte die Parteiendemokratie (gibt es noch eine andere?) und habe insofern weder etwas gegen die Finanzierung der Parteien noch gegen die 20 % mehr für die Fraktionen einzuwenden. Ich bin auch nicht politikverdrossen. Wenn ich an diese Raffzähne im Duisport-Aufsichtsrat (und deren Protégés und Möchtegern-Erben im Stadtrat) denke, könnte ich sogar enorm politisch werden. Solcherlei Frechheit gefährdet die (ohnehin brüchige) Akzeptanz von Demokratie.

Als ich diese Zeilen geschrieben hatte, ahnte ich noch nicht, dass es sich bei dem duisport - Aufsichtsratsvorsitzenden um unseren OB handeln könnte. Was soll der Herr Sauerland jetzt von mir denken?! Diese Frage dürfte sich auch kajo – allerdings noch so eben rechtzeitig – gestellt haben, als er vergaß, diesen Umstand den WAZ-Lesern mitzuteilen.
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, glauben Sie mir bitte, ich wusste wirklich nicht, dass Sie es sind, der die Aufgabe mit wesentlich gewachsener Verantwortung wahrnimmt. Sie können doch davon ausgehen, Herr Sauerland, dass, wenn ich recherchiert hätte, ich mich nicht auf einen Zwei-Worte-Kommentar beschränkt hätte. Ich versichere hiermit, ein überzeugter Anhänger der repräsentativen Demokratie zu sein. Ich möchte dies damit untermauern, dass ich eine Passage zitiere, der ich voll und ganz zuzustimmen versichere, und zwar aus der

Berliner Rede 2008 von Bundespräsident Horst Köhler am 17. Juni 2008

Demokratie ist Selbstherrschaft der politisch Gleichen. Sie beruht auf der gegenseitigen Anerkennung der Freiheit aller anderen und auf der Erkenntnis: Auch unter Freien ist Herrschaft nötig, um das Zusammenleben zu gestalten. Dabei haben alle Bürgerinnen und Bürger die gleichen politischen Rechte. Allen wird die Vernunft und die Bereitschaft zugetraut, die öffentlichen Angelegenheiten zu beurteilen und mitzubestimmen. Dafür sind die Bürger schon aus Zeitgründen auf die Wahl von Abgeordneten angewiesen. Jemand hat vorgerechnet: Wenn ein Volk von tausend Bürgern alles Wichtige per Volksversammlung regeln wollte und jeder der tausend pro Entscheidungsfrage nur zehn Minuten Redezeit bekäme, dann brauchten die Tausend für einen einzigen Punkt ihrer Tagesordnung 167 Stunden gemeinsame Beratungszeit. Das hält kein Volk durch. Also werden in der Demokratie in regelmäßigen Zeitabständen Volksvertreter gewählt. Sie bekommen einen politischen Gestaltungs-auftrag, sind ihren Mitbürgern Rechenschaft schuldig und können bei Nichtgefallen abgewählt werden.

Respekt, Herr Bundespräsident! – Ich habe mir in etlichen Stunden Politik-Unterricht den Mund fusselig geredet; aber auf dieses pragmatische Argument für die repräsentative Demokratie bin ich einfach nicht gekommen.
Richtig: bei Nichtgefallen kann abgewählt werden. Nur – was ist, wie in Duisburg in der eingangs angeführten Sache geschehen, sowohl CDU als auch SPD Anlass zum Nichtgefallen geben? Eine andere Partei wählen? Die Grünen oder die Liberalen, deren Stimmen nicht gebraucht wurden? - Offensichtlich keine besonders überzeugende Idee. Vielleicht die Linken? – Okay, von mir aus. Ausnahmsweise – allerdings nur, wenn sie die von mir zitierte Passage aus der Berliner Rede unterschreiben. Denn ich bin ja für die repräsentative Demokratie; wäre ich gegen sie, wäre es doch besser, für Leute zu stimmen, die das Ja zur Demokratie im Munde führen, gleichzeitig aber an ihrer Untergrabung arbeiten. Nicht aus Überzeugung, einfach nur aus Gier.
Oder aus Bequemlichkeit. Heute, am Sonntag, berichtet die WAZ-Gruppe über die unsere Polit-Bundesliga-Spieler:

Regierung gönnt sich "Bugatti der Lüfte"

Berlin. Die Berliner Polit-Prominenz kann sich über den Wolken bald über mehr Komfort freuen. Für mehr als 1,3 Milliarden Euro kauft die Bundesregierung neue Flugzeuge, um ihre Spitzenpolitiker bequemer, schneller und sicherer in alle Welt zu bringen.Wie aus Parlamentskreisen verlautete, hat der Haushaltsausschuss des Bundestags einem weiteren Paket für die Anschaffung und Umrüstung von zwei vierstrahligen Airbus-Maschinen im Wert von rund 720 Millionen Euro zugestimmt ...
Dem SPD-Finanzminister macht die Anschaffung für seinen neuen Haushalt zusätzliche Probleme. Erst vor kurzem wies Peer Steinbrück darauf hin, dass die beträchtlichen Kosten für die Modernisierung der Flugbereitschaft noch nicht im geltenden Finanzplan berücksichtigt sind. Auch der Bundesrechnungshof hatte die Zahl der Bestellungen und den Aufwand dafür moniert ...
Zur Ausstattung gehört ultramoderner Kabinenkomfort wie etwa Sitze, die sich per Körperwärme an die jeweils bequemste Stellung für den Passagier anpassen. Ein satelliten-gestütztes Elektroniksystem ermöglicht aus der Luft weltweit vernetztes Arbeiten am Computer. Die 2005 erstmals von Bombardier vorgestellte Maschine ist das Nachfolgemodell der «Global Express», mit denen Multimilliardäre wie Bill Gates um den Globus jetten.

Okay, man will es ja auch schön haben. Und dass die Damen und Herren auf ihren Dienstreisen im Internet surfen müssen, versteht sich eigentlich von selbst. Endlich mal Zeit zum Lesen. Und zwar etwas Gescheites. Wie soll man denn auch sonst an die wichtigen Unterlagen für die Dienstreise kommen?
Kleiner Hinweis für unsere daheim gebliebenen Duisburger: es ist ja eigentlich auch kein Zustand, immer so gänzlich unvorbereitet anzukommen – z.B. bei unseren Freunden in Honduras.

Werner Jurga, 22.06.2008

 

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