Wenn rechte Türken links tun

Die politische Internet-Zeitung aus Duisburg

Seit fast zwanzig Jahren kenne ich jetzt Osman Apaydin. Und fast doppelt so lange kenne ich den Jürgen C. Brandt. 

Über den brauche ich Ihnen nicht viel zu erzählen. Der ist nämlich – jedenfalls in Duisburg – bekannt wie ein bunter Hund. Kein Wunder: Jürgen war hier Stadtdirektor und ist jetzt der SPD-Kandidat für das Amt des Oberbürgermeisters. Wollte ich etwas über ihn schreiben, sollte ich wahrscheinlich einschätzen, ob er links steht oder nicht ganz so links. Oder ob er die Mitte repräsentiert, und wenn ja: ob nun die Mitte der SPD oder des gesamten Spektrums.
Ich will aber gar nicht über Jürgen C. Brandt schreiben. Allenfalls dies; aber dies ist sowieso klar wie Kloßbrühe: Jürgen ist kein Rechter. Punkt Eins. Und Punkt Zwei: Seine Freundschaft zu den Türken ist ihm Herzenssache. Sie ist, wie wir heutzutage so zu sagen pflegen: sein Ding.

Osman Apaydin

ist nicht ganz so prominent, aber auch prominent. Jedenfalls in der türkischen Community. Und bei denen, die mit ihr zu tun haben. Osman ist zum Beispiel Vorsitzender des Vereins BunTeS, also des Bundes türkischstämmiger Sozialdemokraten, schon seit Ewigkeiten SPD-Mitglied und hatte und / oder hat auch in anderen türkischen Gruppen innerhalb der SPD wichtige Funktionen inne.

Kleiner Exkurs:
Apropos türkischstämmig oder türkisch. Ich erwähnte es bereits an anderer Stelle: ich verwende in diesem und in den anderen Texten auf meiner Homepage grundsätzlich das Adjektiv türkisch bzw. das Substantiv Türke. Das Wort Migrant gefällt mir nicht so. Türkischstämmig - Geschmackssache. Ich hätte auch deutsch-türkisch oder turkdeutsch nehmen können, woran Sie erkennen mögen, dass ich nachdrücklich der Überzeugung bin, dass man Beides sein kann: deutsch und türkisch. Wenn ich also über Türken schreibe, will ich damit keineswegs unterstellen, dass dies nicht auch Deutsche sind.
Gestern wurde auf der ersten Seite der Duisburger WAZ eine 21jährige Alevitin zitiert, ganz oben, ganz groß. Sie sagte zu Jürgen C. Brandt: Ich höre immer, Türken sind dies, Türken sind das. Ich bin Duisburgerin und will nur eines. Glücklich sein. Das fand ich (Werner Jurga) klasse!
Nun ließe sich einwenden: nur glücklich sein wollen, sei ein bisschen wenig. Aber das wäre erstens arrogant und zweitens falsch. Denn die junge Frau hat etwas Anderes gesagt, nämlich, dass sie als Duisburgerin glücklich sein wolle. Eine ambitionierte Kombination! – Okay, ich höre auf damit. Jedenfalls hat sie das prima gesagt, die junge Türkin!

Gestern habe ich in der WAZ Duisburg gelesen, dass es eine „hitzige Diskussion um SPD-Kandidaten für die Wahl zum Integrationsbeirat“ auf einer Veranstaltung in Marxloh gegeben hat. Der Artikel, der leider nicht im Internet steht, trägt die Ãœberschrift: 

Aleviten warnen vor Rechtsaußen

Unterüberschrift: Türkische Genossen drohen mit eigener Liste. Worum ging´s? -
Wie schon die Unterüberschrift nahe legt: um eine Liste, um Listenplätze – und zwar für die Kommunalwahl am 30. August, genauer: für die Wahl des Integrationsbeirats.
Und wo es um Posten und Pöstchen geht, bedeutet das – alles andere als eine Besonderheit der sozialdemokratischen Hemisphäre: hier kann der Ärger leicht heftiger ausfallen als ortsüblich. Hier stimmt die Steigerung: Freund-Feind-Parteifreund. Hier fallen leichter Worte, die besser nicht gesagt worden wären.
Jedenfalls ging es so hoch her, dass Jürgen C. Brandt, wenn man der WAZ Glauben schenken darf, damit drohte, die Versammlung zu verlassen. Und warum dieses? Weil Osman Apaydin sich Gedanken macht, “ob wir eine eigene Liste aufstellen“?
Schwer vorstellbar; denn schon im jetzigen Integrationsbeirat gibt es keine sich so nennende sozialdemokratische Fraktion. Hier scheinen wir es also eher mit einem Ausdruck als mit der Ursache der Spannungen zu tun zu haben. Aber was ist hiermit:
Osman Apaydin hat der WAZ zufolge festgestellt, es sei unlogisch, dass die SPD Kandidaten berücksichtigte, die am Aufbau von Parallelgesellschaften arbeiteten.
Ja, dann wäre unlogisch noch recht zurückhaltend ausgedrückt – wenn dem so wäre. Osman jedenfalls erhebt den Vorwurf: die SPD berücksichtige auf ihrer Liste Kandidaten, die ideologisch extrem rechts eingestellt seien.

Wenn dem jedoch so wäre, wäre dies – ich will es einmal so ausdrücken: sehr unlogisch. Ich war bei dieser Veranstaltung nicht anwesend, ich kenne nicht die SPD-Liste für die Beiratswahl, kurzum: ich weiß es nicht.
Ich würde es aber ganz gern wissen. Und die Angelegenheit ist ja auch sehr einfach zu klären: entweder stehen auf der Liste islamistische und / oder rechtsnationale Kandidaten oder nicht. Namen nennen! Butter bei die Fische! Nichts wäre leichter als das.
Ich bin ja mal gespannt. Für Osman Apaydins Behauptung spricht, dass immer wieder Kooperationen von (deutschen wie türkischen) Sozialdemokraten mit Kameraden wie Milli Görüs ruchbar werden. Ein weites unappetitliches Feld, zumal es auch hier bei allen anderen Parteien nachweislich mindestens genauso schlimm (Grüne), schlimmer (CDU), ganz schlimm (Linke) oder am schlimmsten aussieht (Rechte).
Zweifel an Osman Apaydins Behauptung kommen auf, weil im WAZ-Artikel die Frage aufgeworfen wird, ob das Auswahlverfahren für die Beiratsliste … fair und transparent gewesen sei. Das hört sich nach üblichem Parteiknatsch an, dem ich mich, auch wenn er in Duisburg stattfindet, nicht mit einer Kolumne widmete – es sei denn, die Manipulationen nehmen fast schon mafiose Ausmaße an wie in Thomas Mahlbergs CDU.

Integrationspolitik muss auf den Prüfstand

Zurück zur SPD und den Türken, die ja - dies sei nur am Rande bemerkt – zwar die größte, aber keineswegs die einzige Einwanderergruppe sind. Der Vorwurf, die SPD berücksichtige auf ihrer Liste Kandidaten, die ideologisch extrem rechts eingestellt seien, muss auf jeden Fall aufgeklärt werden! Und zwar vor der Kommunalwahl.
Unabhängig davon lässt sich feststellen, dass leider – auf „unserer“ Seite - in der Integrationspolitik etwas nicht stimmt. Es wird mit religiösen Fundamentalisten und nationalistischen Chauvinisten mit einer Unbefangenheit zusammengearbeitet (ich verkneife mir das lateinische Verb), die in Bezug auf Ethno-Deutsche aus gutem Grund völlig undenkbar, in Bezug auf Einwanderer (insbesondere aus der Türkei) aber gang und gäbe ist. Das gilt für die Politik, leider auch für die SPD, genauso wie für die Gesellschaft, leider sogar für die jüdische Gemeinde.
Ich könnte dies alles belegen. Selbstverständlich. Ich möchte es aber nicht so gern. Ich möchte einfach nur, dass das aufhört. Von mir aus auch erst nach der Kommunalwahl.

Denn es ist doch gefährlich, wenn die Biedermänner die Brandstifter ins Haus lassen! Dazu kommt, für meinen Magen noch unverträglicher: es ist eine solch perfide Form von Türkenfeindlichkeit, dass sich der Rassismus-Verdacht gleichsam aufdrängt.
Und weil das so ist, erscheint Osman Apaydins Vorwurf als glaubhaft, selbst wenn er jeglicher Grundlage entbehrte.
Sollte jedoch an seinem Vorwurf etwas dran sein, …

Werner Jurga, 04.06.2009

 

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