So wird 2009

Die politische Internet-Zeitung aus Duisburg

Es geschah an einem Dienstag. Da hatte David Vincent sie gesehen. Und ich habe sie gesehen. Und zwar nicht an irgendeinem Dienstag, sondern – ich weiß es noch ganz genau: gestern.

Völlig unbefangen habe ich mich gestern, so am frühem Abend gefragt, was denn wohl im Fernsehen käme. Folglich habe ich mir die Fernsehzeitung geschnappt. Das ist jetzt nicht mehr die BWZ (Bunte Wochenzeitung); die gibt es nämlich gar nicht mehr. Jetzt liegt der WAZ die „rtv“ bei; ich blättere also auf Dienstag, den 30.12., Seite 16. Das können Sie hier online machen.
Ich habe mir die vier Hauptprogramme angesehen und musste feststellen, dass da nicht so ganz das Richtige für mich dabei ist. Da kann freilich „rtv“ nichts für; allerdings für das Folgende:
Ich habe also die Zeitung umgedreht, um mal zu sehen, ob vielleicht bei den kleineren Sendern etwas Schönes läuft. Und was sehe ich? – Sie sehen es ja selbst! Ich sehe sie, Maria Esmeralda! „Über 35 Jahre Erfahrung!“ „Eine der erfolgreichsten und erfahrensten Hellseherinnen der Welt!“
Die also. Maria Esmeralda? Der Name an sich, googeln Sie einfach mal: im Grunde heißt jede Zweite von der Straße so. Sogar eine Prinzessin des belgischen Königshauses. Aber macht ja nix, wir wissen ja: es handelt sich um unsere Maria Esmeralda. Zur Sicherheit oben auf der Seite ein Foto; es zeigt Maria bei der Arbeit. Sie sieht in ihre Glaskugel. Darunter der Text, ein Offener Brief, Überschrift:

Weltweite Krise: Maria Esmeralda
hat beschlossen zu reagieren

Was sieht nun Maria Esmeralda genau in ihrer Glaskugel? - Zunächst einmal stellt sie für 2009 folgendes fest:
2009 gibt es in zwei aufeinander folgenden Monaten, im Februar und im März, jeweils einen Freitag, den Dreizehnten.
Das ist korrekt. Und warum sagt uns Frau Esmeralda das?
Dieses Phänomen tritt nur einmal im Jahrhundert auf.

Mmhh, mal überlegen, mal nachrechnen. Wir gehen davon aus, dass alle sieben Jahre (magische Zahl) der Freitag eines Monats auf den Dreizehnten fällt. Das Phänomen der Schaltjahre kann an dieser Stelle vernachlässigt werden. Denn so wie der Freitag werden auch alle anderen Wochentage „übersprungen“. Die Schaltjahre werden allerdings interessant in Bezug auf Februar und März, weil dann die Wochentage im März nicht auf die gleichen Daten wie im Februar fallen. In drei Viertel aller Fälle tun sie dies aber. Rechnen wir also nach:
¾ mal 1/7 ergibt 3/28 – also weniger als 3/30; sprich: häufiger als einmal im Jahrzehnt fallen sowohl der 13. Februar als auch der 13. März auf einen Freitag. Daraus können wir schließen: Maria Esmeraldas Glaskugel taugt nichts!

Wirtschaftsforscher sehen Arbeitsmarkt etwas
glimpflicher durch die Rezession kommen

Was sehen nun die führenden Wirtschaftsforscher genau in ihren Studien?
Zunächst einmal stellen sie für 2009 folgendes fest:
2009 werde die Wirtschaft um 2,7 Prozent schrumpfen, sagten die IfW-Forscher voraus …
Hierzu muss allerdings angemerkt werden, dass sich das Kieler IfW – das marktradikalste unter Gottes Sonne - mit dieser Prognose an die Spitze der Konjunkturpessimisten gesetzt hat, wie die ZEIT zutreffend schreibt.
Einen Überblick über die Prognosen der anderen liefert die Financial Times Deutschland in ihrem

Ausblick in der Wirtschaftskrise - Das dicke Ende kommt noch

Aber selbst das IfW malt erfreulicherweise in Sachen Arbeitsmarkt nicht schwarz. Das Kieler IfW geht davon aus, dass die Zahl der Arbeitslosen 2009 im Jahresschnitt um rund 400.000 ansteigen wird, meldet Reuters.
Die ZEIT gibt die IfW-Prognose folgendermaßen wider:
Der Arbeitsmarkt dürfte etwas glimpflicher durch die Rezession kommen als in der Vergangenheit, vor allem wegen der Arbeitsmarktreformen und rückläufiger Lohnkosten. Zudem habe die Bundesregierung durch die Verlängerung des Kurzarbeitergeldes Anreize geschaffen, Arbeitsplätze zu erhalten. 2009 wird mit 3,7 Millionen Menschen ohne Arbeitsplatz gerechnet, 2010 mit 3,9 Millionen.

Mmhh, mal überlegen, mal nachrechnen. Wir gehen mal davon aus, dass wir es 2009 mit einem Rückgang des Bruttoinlandsprodukts von 2 % zu tun haben werden. Damit liege ich im Mainstream der Institute, obwohl … na ja, lassen wir das. Weiter dürfen wir davon ausgehen, dass in Zeiten der Rezession die Arbeitsproduktivität langsamer ansteigt als in Wachstumsperioden. Das hört sich zwar komisch an; aber wir unterstellen dies einfach mal. Sagen wir: die Arbeitsproduktivität steigt 2009 nur um 2 %.
Mit diesen beiden Annahmen unterstellen wir, dass das gesamtwirtschaftliche Beschäftigungsvolumen um 4 % sinkt. Dies entspräche – bei gegenwärtigen etwa 40 Mio. Erwerbstätigen - immerhin einem Anstieg um 1,6 Mio. Arbeitslose. Dass die Zahl der Erwerbspersonen, also das Potenzial an Erwerbstätigen, aufgrund des demographischen Wandels um einhundert bis zweihundert Tausend Menschen zurückgehen wird, kann bei einer derlei groben Schätzung freilich vernachlässigt werden.
Bei dem errechneten Anstieg um 1,6 Mio. Arbeitslose handelt es sich nicht um eine Prognose meinerseits. Diese Zahl ergibt sich, wenn dem Rückgang des Beschäftigungsvolumens um 4 % nicht mit arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen begegnet wird. Benötigt wird ein Schutzschirm für Arbeitsplätze, der über alles bislang Bekannte weit hinausgeht. Ohne einen verbindlichen Pakt für Beschäftigung lägen wir Ende 2009 bei 4,5 Millionen Arbeitslosen. Mindestens; denn wenn Sie mich fragen, sind die zugrunde gelegten Annahmen doch recht optimistisch.
Wenn wir – etwas realistischer - von einer Steigerung der Arbeitsproduktivität von 2,5 % ausgehen und einen BIP-Einbruch um 4 % unterstellen, schrumpft die Beschäftigung um zehn Prozent. Das wären 4 Mio. Arbeitslose, die zu den jetzt 3 Mio. hinzukämen. Das ist keine Prognose; das ist Mathematik.

Gelänge es der Politik, die Arbeitslosenzahl etwa bei den von mir vor einiger Zeit prognostizierten 5 Millionen zu halten, wäre dies zweifellos ein großer Erfolg.

Werner Jurga, 31.12.2008

 

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