Skeptiker auf dem Mount Everest

Die politische Internet-Zeitung aus Duisburg

Ja, ich bin ein Skeptiker. Das ist bei mir so eine Art Charakterzug. Manchmal wird das mit meinem Skeptizismus so schlimm, dass ich mich fast schon zu einem Bedenkenträger entwickele. Zwar bin ich schon lange kein Muss-Mann mehr (oder engl.: mus-man) – Sie wissen schon: Sozialismus, Katechismus, Apfelmus usw. -, aber ich will ehrlich sein: dem Skeptizismus hänge ich irgendwie immer noch an. Ja, ein Skeptiker.
Aber nein. Ich bin kein Klima-Skeptiker. Echt nicht. Das würde ich mich auch gar nicht trauen. Diese Woche hat der Obermacker von den NRW-Grünen vor der FDP gewarnt. Bei denen, also bei der FDP, gäbe es immer noch Klima-Skeptiker. Das ist ja interessant! Ich habe doch geahnt, dass mit der FDP irgendetwas nicht stimmt. Gott sei Dank ist es jetzt raus. Also: die FDP taugt nichts. Wissen Sie jetzt Bescheid. Tun immer so, als würden sie die richtige Politik machen. Aber in Wirklichkeit: Klima-Skeptiker. Echt der Hammer!

Schon allein deshalb bin ich keiner. Kein Klima-Skeptiker. Ich bin nämlich schon Bedenkenträger. Und in diesem Fall hätte ich wirklich ernst zu nehmende Bedenken. Ich bin nämlich ein Mann. Und ein Mann hat keine Angst. Auch keine Furcht. Aber Bedenken – ich finde, das geht. Selbst wenn einem die Düse eins zu tausend geht, erwecken die zitierten Bedenken immer noch den Eindruck, ziemlich cool Herr der Lage zu sein. Ja, ein Herr. So als Mann.

Nepal mittel

Kabinettssitzung am 04.12.2009 in Nepal
Foto: AFP

Nicht-Männer hätten in solchen Situationen freilich eine Heiden-Angst. Nicht-Männer, vergleiche hierzu auch: Nicht-Behinderte, Nicht-Juden, Nicht-Raucher etc. Die hätten nicht nur Angst davor zu sagen, dass sie Klima-Skeptiker sind. Die gehen da noch viel weiter, diese Nicht-Männer. Die haben in echt Angst vor dem Klima. Tatsache! Also genau genommen: vor dem Klimawandel. Na egal.

Man stelle sich nur einmal vor, es würde noch wärmer werden. Noch wärmer, als es sowieso schon ist. Das Klima, sagen sie. Die Nicht-Männer.
Ja gut ey, das kann ich mir sehr gut vorstellen. Das heißt, ich könnte mir das sehr gut vorstellen. Es ist aber leider nicht so. Es wird nicht wärmer.
Nein, nicht weil es jetzt Winter wird. Das liegt an den Jahreszeiten oder, wenn Sie so wollen, am Wetter. Da kann man nichts dran machen.
Am Klima dagegen – das ist so eine Art Wetter auf Dauer … okay, da kann man auch nichts dran machen. Jedenfalls nicht sofort. So richtig auf Dauer vielleicht. Will sagen: vielleicht machen Sie und ich und alle heute etwas am Klima. Und mit ein bisschen Glück merkt das dann irgendjemand. Frühestens in fünfzig Jahren. Na, wie sieht es aus: haben Sie jetzt ein schlechtes Gewissen?

Nicht?! Ja, Sie sind ja drauf. Tatsache! Das Klima hat sich wirklich geändert. Die Durchschnittstemperatur ist global angestiegen. Bis vor etwa zehn Jahren. Seitdem bleibt sie konstant. Auch eine Tatsache.
Bei fünfzig Jahren Vorlaufzeit für einen menschengemachten Anteil an der globalen Erwärmung müssten Sie, da seit zehn Jahren Ruhe im Karton ist – doch: Tatsache – jetzt ein Alter von 60 plus haben. 60 plus den Lebensjahren, die man zurückzulegen hat, damit man für seine eigenen Handlungen in Verantwortung genommen werden kann. Sagen wir mal: 18 Jahre (damals waren es noch 21). Wenn Sie also so etwa 78 Jahre alt sein sollten – Mensch, grinsen Sie nicht so blöd!

Das mit dem Klimawandel ist nämlich eine ziemlich ernste Angelegenheit. Es geht ums Überleben. Und deshalb findet in Kopenhagen auch eine ziemlich ernste Konferenz statt. Damit dabei auch irgendetwas herauskommt, wird mächtig Druck gemacht. Sehr phantasievoll, neue Aktionsformen und so.
Zum Beispiel die Regierung von Nepal. Nepal – wie soll ich das jetzt erklären? Nepal ist ein Land in der Nähe von Afghanistan und hatte auch einen Bürgerkrieg. Der ist jetzt aber vorbei. Gut, erst seit diesem Jahr, aber er hatte ohnehin keine Sau besonders interessiert. Es gab zwar mehr Tote als in Afghanistan; aber ich bitte Sie: Royalisten gegen Maoisten? Wen hätte das schon interessieren sollen? Und jetzt, da Ruhe ist, bilden die Königstreuen und die Steinzeitkommunisten eine gemeinsame Regierung.

Die hat gestern ihre Kabinettssitzung auf dem Mount Everest abgehalten. Aus Protest. Dem höchsten Berg der Welt schmelzen nämlich die Gletscher. Das ist insofern nicht ganz unproblematisch, weil Hunderte Millionen Menschen ohne Wasserversorgung dastehen, wenn auf dem Mount Everest in absehbarer Zeit überhaupt kein Eis mehr liegt.
Aber die große Schmelze geht weiter. Denn – wie gesagt – in den letzten Jahrzehnten des vergangenen Jahrhunderts ist es mächtig wärmer geworden. Um 0,4 Grad Celsius. Nein, nicht pro Jahr, insgesamt. Aber das reicht halt schon zum Schmelzen. Und deshalb muss „Kopenhagen“ unbedingt ein Erfolg werden …

Unsere Klimakanzlerin sagt, allerhöchstens dürfe die globale Temperatur in den nächsten Jahrzehnten noch mal um zwei Grad Celsius zunehmen. In Fachkreisen: das Zwei-Grad-Ziel. Für Kopfrechner: das wären fünfmal soviel Erwärmung wie im letzten Jahrhundert.
Nichts gegen die Klimakanzlerin: Experten befürchten nämlich, dass es noch deutlich wärmer werden könnte als zwei Grad plus. Es wird zwar seit zehn Jahren nicht mehr wärmer; aber wer weiß …
Ich jedenfalls weiß beim Verfassen dieser Zeilen nicht so ganz genau, wofür oder wogegen die ehemaligen Kriegsherren Nepals demonstrieren. Für das Zwei-Grad-Ziel? Gegen jede weitere Erwärmung?
Sie scheinen jedenfalls ein großes Interesse am Erfolg der Kopenhagen-Konferenz zu haben. Und ich meine auch: es wäre gut, hörte das Eis des Mount Everests jetzt endlich einmal auf zu schmelzen. Als Laie meine ich, das Beste wäre, wenn es ein Ideechen kälter würde. Denn bei der gegenwärtigen Temperatur schmilzt es ja auf dem Mount Everest.

Aber von globaler Abkühlung ist nirgendwo die Rede. Insofern bin ich, was den Himalaja betrifft, ein wenig skeptisch. Ja, ich bin ein Skeptiker.
Nein, ich bin kein Klima-Skeptiker. Auf jeden Fall bin ich dafür, dass „Kopenhagen“ ein Erfolg wird. Selbst wenn der Kohlendioxid-Ausstoß nicht das Geringste mit der globalen Temperatur zu tun haben sollte, wie die Klima-Skeptiker meinen, nicht ich, selbst dann …
Es wäre einfach schön, nicht mehr so viel von diesem Dreck einatmen zu müssen. Das kann doch einfach nicht gesund sein! Weder für Männer noch für Nicht-Männer, weder für Raucher noch für Nicht-Raucher. All diese Dreckschleudern – die taugen nichts. Ich habe da nun einmal so meine Bedenken.

Werner Jurga, 05.12.2009

 

[Jurga] [Home] [März 2010] [Marxloh stellt sich quer] [Februar 2010] [Januar 2010] [2009] [Dezember 2009] [November 2009] [Oktober 2009] [September 2009] [August 2009] [Juli 2009] [Juni 2009] [Mai 2009] [April 2009] [März 2009] [Februar 2009] [Januar 2009] [2008] [2007] [Kontakt]