Raider heißt jetzt Twix

Die politische Internet-Zeitung aus Duisburg

Die Kaiserin der Herzen heißt zwar noch Merkel, aber

Raider heißt jetzt Twix

Vermutlich ist es das Schicksal eines jeden Raider, irgendwann als Twix zu enden.

Dabei hatte alles so schön angefangen: die Kanzlerin schwebte von Gipfel zu Gipfel, und vom Dach der Welt flog sogar der Glatzenmann mit dem roten Kleid ein. Am 26.09.2007 lobte der WAZ-Leitartikel ihren anständigen Realismus.

So erleuchtet flog die Kaiserin der Herzen weiter – entlang an den Küsten Afrikas, rund um die Überschwemmungsgebiete, die da immer noch sind größer als Europa. Oh Baby, Du warst ein echter Raider! Zur fetzigen Werbemusik: Raider – der Pausensnack! Klatsch, Klatsch!

Doch dann kam der Russe ...

... und schon wurde aus dem Raider ein Twix. Twix: zwei aneinander pappende Schokoschienen gehen auf und zu, damit der Kunde sieht: zwei! Deshalb wohl der peppige Markenname, der wohl eine Verbindung two / twice mit Knick / Knacks assoziieren soll. Wie auch immer: wenn Herr Putin kommt, hat es sich ausgeraidert, da wird die Sache ganz schön vertwixt, verflixt: verzwickt – so!

Der WAZ-Bericht trägt die schöne Überschrift: „Demonstrative Harmonie ohne kritische Töne“ (Untertitel: jetzt halte ich mal besser meinen Mund).

Nicht jede alberne Idee stammt von mir; z.B. diese nicht. Eine politische Formel zu übersetzen ins Tacheles, ohne Anführzeichen zu setzen, dafür aber das Wort „Untertitel“ mit einem Doppelpunkt voranzustellen – mein lieber Scholli! Wäre ich echt nicht drauf gekommen; dafür aber die Redakteurin Angela Gareis, die die von mir soeben nachgeäffte Übersetzungsmethode im heutigen WAZ-Leitartikel gleich viermal brachte. Ich schätze mal: politische Bildung. Titel des Kommentars: „Schwierige Verständigung“.

... und macht mal wieder den Bären

Habe ich es nicht gesagt, gerade mal vor elf Tagen, „dass ich hoffe, dass deutsche Außenpolitiker häufiger die Meinung gegeigt kriegen. In Sachen Realismus. Aber anständig!“ Klick hier ...

Keine Selbstzitate, keine theoretischen Verweise, lieber Spekulationen ... zum Thema „Meinung Geigen“. Da vermuten des Kanzlerin Namensvetterin von der WAZ und meine Wenigkeit ganz gleich, wenn auch mit ganz gegenläufigen Gefühlsströmen. Wir sind trotz allem noch eine prächtige Militärmacht, könnte der Zar der Kaiserin (gleicher Wortstamm!) gesagt haben. Wir sind recht groß, haben die strategischen Rohstoffe, könnte Herr Putin angedeutet haben, und vielleicht: „ich werde noch am Ruder sein, wenn Du schon lange abgewählt bist.“ Oder so: „Wir haben hier nämlich (noch?) keine richtige Demokratie; da würdet ihr nämlich auch ganz schön blöd gucken, und überhaupt: das geht Euch einen feuchten Kehricht an!“

Unsere Kanzlerin kann ja auch ganz schön austeilen, hat sie ja letztens beim Putin in Moskau durchblicken lassen. Aber jetzt:: „Demonstrative Harmonie ohne kritische Töne“, wie die andere Angela feststellt, offenbar ähnlich verknöttert.

Schwieriger Realismus ...

Beide Angies sind richtig enttäuscht über die Entwicklung in Russland: der Putin hat das Riesenreich echt schon wieder zum – immerhin – Humpeln gebracht. Und der Gorbi sitzt daneben und freut sich auch noch ..., dürfte sich unsere Ober-Angela denken. Und die schreibende Angela „muss sich eingestehen, dass sie ihren Einfluss auf das Riesenreich weit überschätzt hat“, sorry: Angela hat natürlich nicht ihren, Europa hat seinen Einfluss überschätzt. So, jetzt stimmt das Zitat. Und dann, nicht zu fassen, schreibt sie: „Um die richtige Relation zu finden, muss man fragen, welchen Einfluss Europa etwa auf die USA, auf China oder auf Indien ausübt.“

Haben sie es bei all der Verwirrung um die Angelas gemerkt: auf einmal heißt es „Europa“ und nicht mehr „Deutschland“. Deutschland: anständiger Realismus – Europa: schwierige Verständigung. So geht das. Dass die regierende Angela schon seit einigen Monaten nicht mehr als Europas Chefin firmiert, fand die schreibende Angela jetzt nicht weiter erwähnenswert.

... anständige Verständigung

Immerhin, Gerechtigkeit auch gegenüber Frau Gareis: so ganz nebenbei erwähnt sie doch etwas, was nicht so recht in den Kalten-Kriegs-Tamtam (von Bildzeitung bis Tagesthemen) hineingehört. Der Eon-Konzern, der gestern Abend im TV und heute in den Zeitungen aber eine verheerend schlechte Presse hat (Preisgestaltung im Gebietsmonopol), also dieser Eon-Konzern hat mal so eben die Mehrheit am russischen Stromerzeuger OGK-4 übernommen. Psst, ruhig jetzt, Angela Gareis; schreiben Sie, wie es sich gehört: „Dem Russen reicht Schalke nicht aus, Gazprom will sich die ganze Wertschöpfung, äh: Gaslieferung vom Bohrloch bis zu unserer Heizung untern Nagel reißen!“ – Und lassen Sie das mal mit Eon, die machen es ja nur des Geldes wegen!

 

Nur um Missverständnisse zu vermeiden: ich weiß, den einen Leitartikel hat der eine, den anderen die andere geschrieben. Das eine Mal ging´s um China, das andere Mal um Russland – obwohl: beim einen Mal war China auch mitgemeint, und ob beim nächsten Mal der Herr aus Peking wieder sagt: „ich mag ihre offene Art?“

Es geht mir hier auch nicht um die WAZ – die habe ich im Abo -, es geht mir um das, was auf Russland bezogen „gleichgeschaltete Medien“ heißt. Ich gebe zu, die Meinungsfreiheit ist hierzulande ungleich höher: wir haben neben dem öffentlichen Fernsehen noch zwei, drei Medienoligarchien, die den ganzen Blätterwald schon mengenmäßig gar nicht kontrollieren können. Aber macht ja nix ...

eine Enttäuschung

Nein, nein, ist schon okay mit der freiheitlichen Demokratie hierzulande. Aber kann uns das Ausland nicht einmal zuhören?!

Ich habe auch nie gesagt, Putin sei ein lupenreiner Demokrat. Ich sage nur, Merkel ist eine lupenreine Deutsche.

Werner Jurga, 16.10.2007

 

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