Paul Breitner

Die politische Internet-Zeitung aus Duisburg

Sie kennen das: nicht einfach hingehen und kritisieren; sie muss schon was bringen die Kritik. Sie können natürlich nicht einfach hingehen und sagen, diese oder jene Mannschaft bzw. dieser oder jener Spieler habe schlecht gespielt; sie müssen schon auch irgendeinen konstruktiven Vorschlag machen. Nun bewegen Sie sich hier auf www.jurga.de in einem Milieu, wo Ihnen selbstredend niemand entgegen hält: „Ja, kannst Du es denn besser?!“ – Aber ein gewisses Maß an Konstruktivität wird Ihrer Kritik schon abverlangt. Nur Nörgeln kann nämlich jeder!

Nur konstruktive Kritik ist solidarische Kritik,

also bitte: ein kritischer Beitrag in kritischer Solidarität. Oder Sie sind abgemeldet! Vielleicht so: „Erlaube mir ergebenst, Seine Majestät darauf aufmerksam zu machen, dass eventuell ...“
218 hin, 218 her – Jahre meine ich, nicht den Paragraphen – 218 Jahre danach halte ich es immer noch für übertrieben, dass der König einen Kopf kürzer gemacht wurde. Aber als ein Kind der Aufklärung begreife ich mich schon. Und Aufklärung hat als Fundament die Kritik! Alles blabla, konstruktiv, solidarisch und pipapo – Kritik würde mir schon reichen. Ja, ich bin halt ein Radikaler.
Der Paul Breitner, der war auch mal so – damals, als er noch selbst Fußballstar war. Der war so was von radikal, der hat die Zigaretten selbst gedreht (jedenfalls Reklame dafür gemacht) und fand den Mao ganz toll. Okay, so radikal war ich nicht, war mir beides zu wuchtig, das Zigaretten Drehen und das Mao-Gelaber. Das erste hatte mir zu viel Teer, das zweite zu viel Blut. Aber noch einmal: Kritik muss sein!

Nun ist auch der Paul Breitner in die Jahre gekommen. Die Kumpels von damals haben sich noch jahrelang als Trainer auf dem Platz oder als Manager im Büro geplagt; aber Paule blieb sich treu: „Kritik!“ Hier mal in der Bildzeitung, da mal beim Waldi, und überhaupt bei jedem, der für seine radikale Kritik die Flocken locker machte. Und als alter Dialektiker weiß der Breitner, was ich auch weiß: Kritik an und für sich ist schon konstruktiv und insofern, unabhängig vom Motiv, solidarisch. So hört sich das in meinem etwas sperrigen, verschrobenen Sound an. Uni-Bluff. So kann das Paul Breitner seinem Publikum natürlich nicht verkaufen. Der Münchener Abendzeitung hat er es deshalb so gesagt: 

„Ich habe immer nur Finger in die Wunden gelegt,
 die sonst unter den Tisch gekehrt worden wären.“

Tja, wie gesagt: Wunden unter den Tisch kehren, in die man vorher noch den Finger reingelegt hat ...
So hart drauf wie der Paul Breitner war ich nie. Da sage ich nur: igitt, igitt. Vielleicht ist seine Sprache ein Spätschaden übertriebener Mao-Bibel-Lektüre. Ob der Breitner heute noch raucht? – Ich glaube nicht. Ich allerdings schon, und noch ein „allerdings“: mit Filter. Nach wie vor: Weichei. Und Kritik üben möchte ich auch weiterhin. Einen Teufel werde ich tun, diese Kritik an irgendwelche Nützlichkeitserwägungen zu knüpfen, gar öffentlich, und das dann auch noch als „Solidarität“ (Kameraderie?) auszugeben. Nee, nee: Kritik allein tut mir schon reichen.

 Werner Jurga, 23.12.2007

 

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