Offener Brief an OB Sauerland

Die politische Internet-Zeitung aus Duisburg

Dr. Werner Jurga
14.01.2009

 

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister!


Auch heute hat dankenswerterweise das Referat für Kommunikation in Ihrem Dezernat die Presse und interessierte Bürger, wie z.B. mich, wieder mit aktuellen Meldungen versorgt.

Nichts, aber auch gar nichts habe ich daran auszusetzen, dass die Stadtverwaltung sozial engagierte Bürger zu ehren gedenkt. Ganz im Gegenteil.
Auch die „Zeitreisen durch die Schifffahrts-Geschichte“ können unserer Stadt nur zur Ehre gereichen. Doch dürfte auch Ihnen kaum entgangen sein, dass der Ruf unserer Stadt in den letzten drei Tagen in Mitleidenschaft gezogen wurde. Mitgezogen von den erschreckenden Ereignissen in Zusammenhang mit der Großdemonstration der islamistischen Milli Görüs am letzten Samstag.
Ich bin mir im Klaren darüber, dass die Stadtverwaltung Duisburg hier keinerlei Verantwortung trifft. Wie Sie wissen, ist zu prüfen und wird geprüft, ob hier Landesbediensteten schuldhaftes Verhalten nachzuweisen ist.

Das ändert nichts daran, dass es für die Stadtspitze an der Zeit ist, sich zu den Vorfällen am letzten Samstag zu erklären. Alle Welt wartet auf eine Erklärung!
Deshalb bitte ich Sie inständig, sich dieser Thematik zu widmen, bevor Sie morgen die Öffentlichkeit wissen lassen, dass in Duisburg Tauwetter ist oder in welchem Stadtbezirk auch noch Fitnesskurse angeboten werden.

Der Umstand, dass die Zuständigkeit der Landesbeamten es nicht zuließ, eine Erklärung der Stadtspitze in der wünschenswerten und eigentlich erforderlichen Schnelligkeit zu publizieren, kann nicht mehr als Entschuldigung für Ihr Schweigen herhalten. Es sind inzwischen drei Tage ins Land gezogen. Drei Tage, währenddessen Print- und elektronische Medien – auch weltweit - den Namen der Stadt Duisburg als Chiffre für einen vermeintlich von der deutschen Polizei tolerierten, wenn nicht gar unterstützten Faschismus etablieren.
Sie brauchen gar nicht erst in Hoyerswerda anzurufen, um erahnen zu können, welche Konsequenzen es hat, wenn der Name der Stadt einmal einen solchen Symbolcharakter gewonnen hat. Geben Sie einfach mal „Hoyerswerda“ bei Google ein! In Anbetracht der heraufziehenden Wirtschaftskrise kann Duisburg nichts weniger gebrauchen als ein derart zerrüttetes Image.
Aber ich will ökonomische Argumente nicht überstrapazieren. Sie wissen, die Vorfälle in der Claubergstraße entsetzen mich an und für sich. Einfach so, genau wie so viele andere Menschen in Duisburg, in Deutschland und rund um die Welt auch. Und ich bin sicher, dass es Ihnen genau so geht!

Gerade deshalb ist mir völlig unbegreiflich, dass Sie in diesen für unsere Stadt so beschämenden Tagen abgetaucht sind. Ich will auch nicht verhehlen, dass ich deshalb auch enttäuscht von Ihnen bin. Das ist keine Heuchelei; Sie wissen, dass ich nicht zu Ihren Wählern zähle. Aber seit Beginn Ihrer Amtszeit, als Sie sich sogleich an die Spitze der Proteste gegen NPD-Aufmärsche stellten, waren Sie „mein“ OB, der OB aller Duisburger.
Und was die Solidarität mit Israel betrifft, werde ich Sie nicht an Ihr beeindruckendes Statement vom 9. März 2008 erinnern müssen, das Sie mir freundlicherweise für meine Homepage freigegeben haben. Ich gehe davon aus, dass die Solidarität mit Israel gilt, gerade auch in schweren Zeiten, und selbst dann, wenn wir Kriegshandlungen der israelischen Regierung nur noch schwerlich oder auch gar nicht mehr nachvollziehen können.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie, Herr Oberbürgermeister hier anders denken könnten als ich. Und selbst wenn, ist doch wohl unbestritten, dass das Werfen mit Steinen, das Skandieren von Racheschwüren und „Scheiß-Juden“-Parolen in unserer Stadt nichts verloren haben. Zu dem Verhalten der Polizei ist das Nötige gesagt; und jetzt, nachdem sich selbst Polizeipräsident Cebin entschuldigt hat, entfällt auch für Sie der letzte Grund, mit Kritik hinterm Berg zu halten.


Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister!
Die Menschen, nicht nur in Duisburg, warten auf Ihr Wort in dieser Sache. Die in unserer Stadt lebenden Juden und bekennenden Freunde Israels haben einen Anspruch auf klare Worte ihres Oberbürgermeisters. Wie schnell könnten abermals gewalttätige Antisemiten versuchen, in Duisburg Recht und Gesetz außer Kraft zu setzen!
Es ist jetzt wirklich höchste Zeit, Herr Sauerland. Mit dem gebotenem Ernst und allem Nachdruck appelliere ich an Sie: finden Sie klare Worte!


Hochachtungsvoll

Dr. Werner Jurga, 14.01.2009

 

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