Obama in Berlin

Die politische Internet-Zeitung aus Duisburg

Hey Jo,

first of all, I have to excuse that I will use these typical German letters like – äh: Umlaute (diphtongues???) and “hot s†or eszet (?) and so …; denn ich habe schon jetzt den Verdacht, dass ich ein paar Zeilen dieser mail auf meiner politisch bedeutenden, wie von Dir zu Recht bemerkt: weltrettenden Webseite „bringen“ zu wollen. Okay, diese Zeichen sehen dann für Dich Scheiße aus; aber besser, als wenn meine gebildete Leserschaft annähme, ich hätte es nicht so mit dem Deutsch ...

Also nach Eurer Strapaze am Sonntag die Ankunft in Berlin das militärische Rumtata und drum herum das Antifa-Rumtata, also im Grunde der gleiche Humbug in schwarz und rotzig, ich denke, das war ja nichts Dolles - hoffentlich nicht einmal eine kleine Störung. Ich schätze mal, Ihr seid in Israel abstrusere Absurditäten und größere Belästigungen gewohnt.
Im Namen meines, vielleicht noch so ein ganz klein wenig auch Deines Landes, möchte ich mich bei Euch allen entschuldigen für das Scheiß Wetter, für das ich – ist ja klar – nichts kann, aber dennoch in Schuld und Scham die Verantwortung bereitwillig übernehme. Falls es Dich tröstet: das nagt nicht nur Euch Orientalen an; das geht auch so einem echten Deutschen, der – weil einiges gewohnt: hart wie Stahl und zäh wie Leder – ein klein wenig an die Nieren und ans Gemüt.
Aber heute soll das Wetter ja besser werden; dafür kommt es für Euch jetzt aber wohl richtig Dicke. Nein, nicht weil Ihr eigentlich im Warmen wohnt, sondern weil Ihr jetzt in Berlin seid. Ganz dicke kommt der ziemlich Dünne: Mr. Obama!!! – Wir haben hier nämlich

OBAMANIA

Bei Euch zu Hause war der nächste US-Präsident ja schon gestern. Also echt: Deine Landsleute haben da aber echt kein Super-Festival hingelegt. Hier und da ein bisschen Hurra, das Genörgel der Taxifahrer und anderer Eingeborener über Verkehrsbeeinträchtigungen: das war es dann aber auch schon. Okay, nichts für Ungut. Fairerweise muss ich zugeben, dass der Mann des Lächelns auf seiner Obamania-Worldtour nicht so ein richtiges Open-Air-Festival in Israel auf dem Tourplan hatte – so wie heute in Berlin.
Ach so, Herr Professor, falls Du es einrichten kannst, und nur dann – ich weiß, Du hast einen Terminstress fast wie der Barack -, aber wenn Du es hinkriegst, sei doch bitte so gut, Jo, und grüß ihn von mir! Du kannst ihm ruhig sagen, dass Dr. Jurga sich auch schon sehr freut, dass er der nächste Obermacker von Amiland wird. Naja, und ... das Übliche: ich sei auch gegen Rassismus (vergiss das bitte nicht, ganz wichtig), gegen Antisemitismus (da denkst Du ja dran), gegen Sexismus (wenn Du meinst, Du könnest ihm jetzt schon mit so was kommen) und gegen alles Böse und so.

Gegen Rassismus

Böse heißt, weißt Du ja besser als ich, auf englisch „evil“. Darüber hat er sich gestern in Yad Vashem geäußert, richtig philosophisch und so. Da war natürlich nichts mit Smiling, da schaute er sehr ernst. Wie auch in Sderot; da ist er nämlich auch hingefahren, weil der Mensch an sich nämlich auch the evil bekämpfen kann – together, versteht sich. Da muss man logischerweise auch schon mal etwas riskieren. Dann aber hopp hopp auf zu Euren Obermackern, kurz mal rüber zu Herrn Abbas – bis alle benötigten Fernsehbilder im Kasten waren.
Unser Fernsehen hat mir erzählt, der Obama hätte das alles gar nicht Euretwegen gemacht, sondern wegen der vielen jüdischen Wähler in den USA. – Glaube ich auch. Sag mal, Jo, hast Du irgendeine Idee, woran das wohl liegen könnte, dass ich bei den „jüdischen Wählern in den USA“ -  automatisch, ganz wie von selbst – immer an Omas und Opas denken muss? – Komisch, nicht? Okay, so ein paar jüngere Filmschauspieler, Regisseure – einige aber auch schon älter geworden, natürlich die ganzen jüdischen Finanzkapitalisten an der Wall Street – wahrscheinlich etwa so alt wie wir.

Gegen Antisemitismus

Und dann fiel es mir wieder ein: Mensch klar, da – in den USA  - gibt es auch echt Jüngere. Du erinnerst Dich, dass ich mit meiner Frau einen Tag am Toten Meer war. Auch am Strand so für zwei Stunden; Mensch, Ihr habt es aber auch heiß. Ich weiß gar nicht mehr, ob wir Euch erzählt hatten, dass wir - das heißt: mehr so ich - dort zwei echt junge jüdische Pärchen getroffen hatten, also: habe. Alle so Mitte, Ende zwanzig, well educated. Ich begegnete ihnen im Salzwasser und – stell Dir vor – habe Faxen gemacht. Fanden die vier lustig. Wir kamen ins Gespräch: das eine Paar war aus Israel, das befreundete andere aus Amerika.
Du weißt, Jo, meine Aussprache erweckt den Eindruck eines wesentlich besseren Englischs, als ich echt drauf habe. Und bei so eingestanzten Small-Talk-Sätzen mag auffallen, dass ich kein Muttersprachler bin; aber als ein Europäer von gottweißwoher gehe ich schon durch. Jedenfalls solange sich das Gespräch nicht ausweitet, und ich auch (noch) kein Wasser, gemeint: dieses absolut salzige aus dem Toten Meer, ins Auge bekomme. Die Vier waren sehr nett, halfen mir und gaben mir gute Tipps. Offen war noch die Frage, woher ich eigentlich komme.
Meine Erfahrungen in Israel mit dem „Auftreten“ in deutscher Sprache, also als Deutscher, waren – aber das hatte ich Dir sofort erzählt – bis dahin äußerst überraschend, für mich schon fast etwas zu positiv: Deutsch, Deutscher, Deutschland – ja so was von Super! Vor allem bei jungen Leuten. Der Security-Typ mit der ganz großen Knarre vor unserem Hotel wollte von uns adoptiert werden, und als wir bei den Mädels am Nordstrand von Tel Aviv auch – allein wegen unserer Nationalität – so unglaublich gut ankamen, beschäftigte ich mich nicht mehr lange mit der Frage: „War da nicht mal was?“, sondern urteilte sogleich: Distinktionsmerkmal junger, aufstrebender Menschengruppen samt derer, die auch gern zur Gruppe dazugehören würden.
Mit diesem, vielleicht nicht einmal ganz falschen, aber doch auf jeden Fall undifferenzierten, weil vorschnellen Urteil im Kopf – und noch mit dem Salzwasser im Auge teilte ich den vier jüdischen Diplomanden im Toten Meer naiv bis erfreut in gepflegtem Englisch mit: „I´m from Germany.“ Komisch: da war es jetzt nicht so der Bringer. Die Stimmung wurde mühevoll aufrecht erhalten, und weil die Vier auch gerade thematisch bei den US-Primaries waren, wurde auch ich freundlich um meine Meinung gebeten.

Ich war noch etwas irritiert ob des spürbaren Stimmungsumschwungs, noch ein kleines Bisschen gehandicaped wegen des brennenden Auges, erkannte aber sofort: Vorsicht, Falle! Trotz der für mich gerade etwas ungünstigen Bedingungen am Ort meiner Träume war eigentlich sonnenklar, dass die vier netten, hübschen, jungen Leute klar für einen demokratischen Kandidaten waren. Nun galt offiziell, also wohl auch noch für die angehenden Akademiker ein Patt zwischen Clinton und Obama, aber mir war bereits recht klar, auf wen das Rennen hinauslief.
Ich hätte ja einfach „Hillary“ sagen können und alles wäre gut gewesen.

Gegen Sexismus

Aber erstens wäre ich in meiner Bredouille nicht so schnell auf so eine, wenn auch ehrliche, aber doch bescheuerte Antwort gekommen. Und zweitens wollte ich nun auch gar nicht mehr, dass alles gut wird. Ich spürte nämlich nicht nur mein Auge, sondern auch, dass ich auf diese nice college people oder high school oder so irgendwie ein bisschen sauer war. Ich ahnte, dass eine Präferenz für einen Republikaner – bei denen war noch alles offen – so ziemlich genau das gewesen wäre, worauf man bei einem Deutschen noch so eben gewartet hätte.
Also wich ich aus in Nonsense und erklärte, im Grunde sei ich für Schwarzenegger. Ich wisse, dass dieser wegen seiner Geburt außerhalb der USA nicht nominiert werden dürfe, und protestierte heftig gegen diese reaktionäre, xenophobe, diskriminierende, also letztlich rassistische US-Praktik, die mein weltbürgerlich-internationalistisches Empfinden kränke und empöre. Clever People – hatten sie sofort als Scherz zwecks Mattenflucht erkannt, was ich wiederum unschwer an ihren gequält grinsenden Gesichtern ablesen konnte. Dies ermunterte mich, ungefragt nachzuschieben, dass ich in diesem einmaligen Möchtegern-Fall ein gewisses Verständnis für diese US-Unsitte aufbrächte. Wir in Deutschland hätten nämlich auch mal einen gebürtigen Österreicher als Oberboss genommen und damit nicht durchweg gute Erfahrungen gemacht. Dieser Kerl, erklärte ich, habe auch wirklich nichts getaugt ... aber der Schwarzenegger sei meines Erachtens doch echt von einer ganz anderen Sorte.

Gegen alles Böse

Dann wollte ich nur noch wissen, wie sie mein Englisch so finden. Weil die Stimmung irgendwie so komisch wurde, ging ich dann zu unserer Decke. Die jungen Vier zu der ihren. Laut wurde weiterdiskutiert. Ich berichtete meiner Frau erheitert, na klar: auf Deutsch, und darauf Wert legend, dass meine gute Laune auch so richtig bis zur nächsten Decke dringt, das Obenstehende. Die beiden jüdischen Pärchen – ich konnte akustisch wie sprachlich nicht alles Gesagte genau verstehen – waren sich nicht ganz grün. Die Herren hielten sich eher etwas zurück. Murmelten ab und an Vierwortsätze. Die Damen – ich kommentiere das jetzt nicht, so bescheuert bin doch selbst ich nicht -, also die Girls führten ein engagiertes Gespräch in offener und freimütiger Atmosphäre. Bis auf einmal vier Worte laut gekreischt den gesamten Strand beschallt hatten. Die junge Amerikanerin hatte ihrer israelischen Freundin zu bedenken gegeben: „But an entire people!!!“
Für mich das klare Signal, noch mal ins kühlende Wasser zu gehen. Vorbei an unserer Nachfolgergeneration, freundlich lächelnd: smile, kurzes „Hi“ in angemessener Lautstärke (es war ein wenig windig) und ab ins Wasser. Ich wusste ja jetzt Bescheid: schön auf die Augen und alles aufpassen!

Und so

Und so lagen wir alle da noch eine Weile, eine halbe Stunde vielleicht. Dann war es aber mit der Sonne fast schon zu lang für meine MS. Und die alles überdeckende Salzschicht musste vom Körper runter. Du darfst mir glauben, Jo, Du kennst mich doch, und Du bist ja in manchen Dingen auch nicht der Geschickteste. Okay, ich bin wirklich ein Trottel; aber es ist und war wahr. Ich habe zum Verrecken keine Dusche gesehen. Wirklich nicht, ich schwöre es! Ich war doch zum ersten und einzigen Mal dort. Ich bin zwar ein Trottel, aber nicht ganz so unsensibel, hätte mir also schon eine etwas geschmeidigere Frage gewünscht als ausgerechnet diese.
Aber es pressierte. Was hätte ich denn anderes machen sollen als die Vier zu fragen: „Könnt Ihr mir bitte mal sagen, wo die Dusche ist?“ – Kein Problem, so sind sie halt, hätte ich mir ja denken können: die nice people erkannten meine Zwangslage und gaben mir äußerst bereitwillig und höflich die korrekte Auskunft. Ja, dabei haben sie auch ein wenig geschmunzelt, äh: gesmilet.

Echt passiert; wirklich wahr: Jawoll!

 

Werner Jurga, 24.07.2008

 

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