Mixed Emotions

Die politische Internet-Zeitung aus Duisburg

Alt werden will jeder, alt sein keiner. So ist das heute; so war es schon in grauer Vorzeit. Nehmen wir zum Beispiel die Rolling Stones, die zu besagter Zeit (warum die wohl grau heißt?) einen Hit hatten namens Mixed Emotions. Und der Refrain ging so: 

Youre not the only one
With mixed emotions
Youre not the only ship
Adrift on this ocean

Adrift heißt übrigens treibend, falls Ihnen das gerade nicht präsent (gewesen) sein sollte. Tja, das Alter! Die älteren Herren – klar: heute, damals noch nicht – unterstellen also, wir trieben so ziellos vor uns hin, und zwar mit gemischten Gefühlen. Dabei wähnten wir uns allein, sind wir aber nicht. Rollende Steine. Aber sie scheinen damit nicht ganz daneben gelegen zu haben.
 

Gemischte Gefühle beim Blick aufs Alter

Mixed Emotions wohin das Auge blickt. Die Leute freuen sich, dass Ihre Lebenserwartung gestiegen ist. Die Bundesbürger zwischen 40 und 60 blicken voller Zuversicht auf ihr späteres Leben. Der Gedanke an ihre Selbständigkeit und Unabhängigkeit lässt sie hoffen, im Alter noch gut zurecht zu kommen. 73 Prozent vertrauen auf ihre gute Gesundheit und Fitness.
Einerseits. Andererseits: Bei der Frage, was ihnen beim Gedanken an das Leben im Alter am meisten Sorgen bereitet, wird am häufigsten Pflegebedürftigkeit (77 %), ein schlechterer Gesundheitszustand (76 %) und der Verlust an Selbstständigkeit (71 %) genannt.

Der ganze Bericht liest sich wie ein einziges Einerseits-Andererseits. So ist das nun einmal bei gemischten Gefühlen: Während einerseits mehr als die Hälfte der Bundesbürger fürchten, Notlagen der eigenen Eltern nicht sofort zu bemerken, hoffen andererseits 79 Prozent, sich selbst auf die Hilfe und Unterstützung ihrer Familien im Alter verlassen zu können.
Man kennt sich. Man ahnt, dass man womöglich gar nicht richtig mitkriegt, wenn es den Alten mal an etwas fehlen sollte. Und weil man so richtiggehend sensibel ist, fürchtet man sich freilich davor. Richtiggehende Furcht! Anständige Menschen. Mehr als jeder zweite. Mehr aber auch wieder nicht.
Dagegen gehen fast achtzig Prozent unserer Landsleute mittleren Alters davon aus, dass ihnen, sollten sie es einmal nötig haben, die notwendige Hilfe zuteil werden wird. Von der Familie, versteht sich. Man hofft es zumindest. Die Hoffnung stirbt zuletzt, und Träumen ist erlaubt. Vielleicht müssen ja die Kinder, also die Tochter, nicht zur Arbeit. Vielleicht hat man eine wesentlich jüngere Zweitfrau, die mit der Witwenrente hinkommt. Und eine gute Seele hat. Haben die ja meistens. Hoffe ich. 

Es bleiben halt diese gemischten Gefühle. Ob sich der Staat kümmern wird. Mit Geld, versteht sich. Wer will denn schon ins Heim? Außerdem spart das ja auch ganz schön Geld, wenn man nicht ins Heim muss! Er muss sich ja schließlich irgendwie kümmern, der Staat! Dann muss man nicht ins Heim, und zu Hause … - klar: wenn man noch kann. Wollen wir mal hoffen.

Gestern wurde ebenfalls gemeldet, heute steht es in der Zeitung, dass ein Finanzexperte – Respekt! – eine radikale Reform der Altersversorgung fordert. Radikale Reform - was es nicht alles gibt! Finanzexperte fordert Hartz IV für gesunde Frührentner.
Gesunde Frührentner, hat er eigentlich Recht, von mir aus könnte man die gleich ganz abschaffen. Nehmen wir zum Beispiel die Rolling Stones. Die gehen auch noch arbeiten. Liegen dem Staat nicht auf der Tasche. Und trotzdem: so eine radikale Reform  - irgendwie weiß ich nicht so recht. 

Youre not the only one
With mixed emotions

Werner Jurga, 23.09.2009

 

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