Mein Boykott

Die politische Internet-Zeitung aus Duisburg

Rein sportlich gesehen war das ja heute so ein Tag für sich. Sonntag, 24. August, 14:00 Uhr: im ZDF beginnt die Ãœbertragung der Schlussfeier der Olympischen Spiele; gleichzeitig fängt das Formel-Eins-Rennen an, live auf RTL. Ja, und jetzt? 

Ich habe Radio Duisburg eingeschaltet, um mal zu hören, was der MSV so macht. Denn ob „Motorsport“ überhaupt Sport im Sinne von Sport ist ... und was Peking betrifft. Da hatte ich mich doch schließlich zu einem Boykott entschlossen. Da wäre ich ja ganz schön inkonsequent gewesen, heute einzuschalten. Wo ich doch die ganze Zeit, also mehr als zwei Wochen, eisern durchgehalten habe.
Sofern dies möglich war, versteht sich. So hin und wieder gerät man ja doch mal in eine Nachrichtensendung; und als erstes, bevor man überhaupt dazu kommt wegzuschalten, bevor die mit Politik und so anfangen, wird einem schon hocherfreut mitgeteilt, dass irgendjemand für Deutschland eine Goldmedaille geholt hat. Eigentlich zwar für seine verstorbene Frau, die „ganz sicher“ von oben zugeguckt hat (von wegen Menschenrechte und Tibet; von da oben sehen die alles), aber eben auch für Deutschland! Also bitte ich um Verständnis, aber Sie kennen das ja auch, dass mir nur ein Teilboykott möglich war.

Trotz Teilboykott: es geht

16 Goldmedaillen haben wir geholt – geht. Wenn man bedenkt: in 16 Tagen! WAZ-Sportchef Hans-Josef Justen ist nach zwei Tagen schon reichlich nervös geworden: „Einmal Bronze und reichlich Blech“ nannte er seinen schonungslosen Kommentar.
Eine Bilanz zu kritisieren, die noch nicht einmal so richtig eröffnet wurde, ist prinzipiell ungerecht, prinzipiell unfair, prinzipiell unseriös.
Stimmt. Prinzipiell. Das bedeutet im Prinzip. Fragen Sie Radio Eriwan!
Doch für diesen frustrierenden Sonderfall gilt eine Ausnahmeregelung: Dass Deutschlands Olympia-Delegation an den ersten beiden Tagen der Sommerspiele von Peking lediglich eine einzige Bronzemedaille aufs Treppchen trug, sonst reichlich Blech fabrizierte und sich in der vorläufigen Gesamtwertung auf dem 23. Rang wiederfindet, ...
Na, überlegen Sie mal! Zum Beispiel
am Beispiel des amerikanischen Ausnahmeschwimmers Michael Phelps: Achtmal Gold hat er versprochen, einmal Gold hat er schon gewonnen, den Rest wird er nachholen. Doch fürs deutsche Team bisher "nur" Bronze.
Über Justens Anführzeichen habe ich lange, wenn auch vergebens, nachgedacht. Wie dem auch sei. Am Schluss sind wir, von Herrn Justen „Deutschlands Olympia-Delegation“ genannt, immerhin Fünfter geworden. Geht. Bin mal gespannt, ob sich Hans-Josef Justen wenigstens ein bisschen freuen konnte.

Menschenrechte ... es könnte besser sein

Ich ja, wie gesagt, nicht; ich hatte ja boykottiert, jedenfalls teilboykottiert. Schon wegen Tibet, Menschenrechte und so. Grünen-Chefin Roth sagt heute, das alles sei in China gar nicht besser geworden, obwohl CDU-Chefin Merkel ja – genau wie ich – boykottiert hatte. Auch als Regierungschefin. Trotzdem: alles gar nicht besser geworden. Vielleicht weil alle anderen bei der Eröffnungsfeier da waren. Wer weiß ...
... Wie die Zeit vergeht. Ist das wirklich schon 16 Tage her, dass die Russen, na ja Sie wissen schon: wie immer. Auch die Chinesen. Alles Kommunisten!

Und was die von Olympia und so halten, kennen wir Deutsche ja aus der DDR. Ich sage nur: Doping. Schlimm so was. Kleinen Mädchen die Gesundheit ruinieren. So wie die DDR machen das die Chinesen zum Beispiel heute immer noch – wahrscheinlich. Unsere machen das höchstens mit Pferden.
5.000 Dopingtests gab es, erwischt wurden 6 Athleten und 4 Pferde. Rund 0,2 Prozent also. Prompt sagt das IOC, na bitte, geht auch ohne Doping.

Eben – ob die mal alle sauber waren. Zum Beispiel der aus Kuba oder so, der im Wettrennen immer die Weltrekorde gelaufen ist. Okay, Flitzen können so Schwarze ja, und wenn sie dann auch noch goldene Schuhe angezogen kriegen ... Aber trotzdem.
Peking. Top-Favorit Usain Bolt aus Jamaika hat mit dem Fabel-Weltrekord von 9,69 Sekunden den 100-Meter-Lauf bei den Olympischen Spielen gewonnen. Der schnellste Mann der Welt siegte am Samstag im Pekinger Nationalstadion in seinen goldenen Schuhen überlegen vor der chancenlosen Konkurrenz. ...
obwohl er weit vor dem Ziel bereits jubelnd einen Gang zurückschaltete.

Doping - wer weiß?

Das ist halt die Kunst: auch mal Zurückschalten können.
Kennen Sie eigentlich Herrn Heredia. Der SPIEGEL behauptet - als Vorwort zum Interview - einfach mal Folgendes:

Zwei Jahre lang hatte sich Angel Heredia unter falschem Namen in einem Hotel in Laredo, Texas, versteckt, dann fand ihn die amerikanische Bundespolizei FBI doch. Ob er einen Trainer namens Trevor Graham kenne, ob er den Spitznamen "Memo" trage, was er über Doping wisse, das wollten die Agenten von Angel Heredia wissen. "Nein", "nein", "nichts", das waren seine Antworten, aber dann legten die Agenten die Abschriften der 160 abgehörten Telefongespräche auf den Tisch, die E-Mails auch und die Kontoauszüge, und Angel "Memo" Heredia wusste, dass er verloren hatte. Er entschied sich zur Mitarbeit, und er wusste auch, er würde nur eine Chance haben, wenn er nicht lügen würde, kein einziges Mal. "Er sagt die Wahrheit", das sagt heute einer der Ermittler über Heredia.

SPIEGEL: Mr. Heredia, werden Sie sich das 100-Meter-Finale von Peking ansehen?

Heredia: Natürlich. Aber einen sauberen Olympiasieger werden wir nicht erleben. Nicht mal einen sauberen Teilnehmer.

SPIEGEL: Von acht Läufern ...

Heredia: ... werden acht gedopt sein.

SPIEGEL: Beweisen kann man das nicht.

Heredia: Es ist ohne jeden Zweifel so. Der Unterschied zwischen 10,0 und 9,7 Sekunden sind die Drogen.

SPIEGEL: Also wurden Sie Therapeut der Sportler in Drogendingen?

Heredia: Eher ein Coach. Wir fanden gemeinsam heraus, was für welchen Körper gut war und welche Abbauzeiten galten. Ich machte Pläne für Cocktails und Kuren, je nach dem Geld, das der Athlet mir anbot. Straßendrogen für wenig Geld, Designerzeug für ein paar zehntausend. Meistens habe ich die Sachen verschickt, manchmal kamen die Sportler zu mir.

...

SPIEGEL: Und dann wurden die Saisonziele festgesetzt?

Heredia: Ja, das hing vom Athleten ab. Einige wollten im April eine gute Zeit laufen, um Verträge für die Sportfeste zu bekommen, einige hatten nichts als die Trials im Kopf, die amerikanische Qualifikation für internationale Meisterschaften, andere nur Olympia. Dann haben wir den Countdown auf das Ziel ausgerichtet, und der nächste Zyklus begann. Ich musste meine Athleten gut kennen und wissen, wo welcher Verband mit welchen Methoden testete.

SPIEGEL: Woher weiß man so etwas?

Heredia: Wachsamkeit. Informanten.

Ganz wichtig: Immer wachsam sein! Und natürlich: gute Informanten haben!
Völlig klar; das braucht mir dieser Gauner nicht zu sagen. Da hat er Recht. Aber ob das andere auch alles so stimmt. Ich meine, es gilt ja die Unschuldvermutung. Auch für die Sprinter, nicht für den Heredia; denn der ist ja geständig.
Tja, wie ist das jetzt bloß? – Dopen die nun oder Dopen die nicht?

Machen Sie es einfach wie ich: Wachsamkeit. Informanten.

Werner Jurga, 24.08.2008

 

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