Lulus gewisses Trüppchen

Die politische Internet-Zeitung aus Duisburg

„Es ist deine Stadt. Es ist deine Metropole. Es liegt in deiner Hand.“ Ich weiß, man darf laut neuer Rechtschreibung „dein“ auch klein schreiben. Ich würde es nicht tun; aber die Leute von der Werbeagentur werden sich bestimmt etwas dabei gedacht haben.

Das ist nämlich ein Werbeslogan für die europäische Kulturhauptstadt 2010: „Es ist deine Stadt. Es ist deine Metropole. Es liegt in deiner Hand.“ Irgendwie doof, nä? Was soll das bloß heißen.
Meine Metropole, zum Beispiel. Sie kennen ja die Königstraße. Und den Sonnenwall. Nichts da, Sie sind nicht aus Duisburg. So etwas kennt man einfach. Wir sind nämlich eine Metropole. Auch eine Kulturmetropole, was Sie zum Beispiel daran erkennen können, dass wir den Kulturmanager des Jahres 2009 stellen. Echter Top-Mann, na egal …
Zurück zur Kreuzung Königstraße / Sonnenwall. Da ist doch so ein Plus-Laden. Der heißt auch noch Plus und noch nicht Netto. Aber wenn auch der erst einmal Netto heißt …
Gestern hat das Kulturmetropolenblatt namens WAZ Duisburg auf seiner ersten Seite – ja, auf der gesamten ersten Seite – über ein Problem berichtet, mit dem sich nicht nur Weltstädte rumplagen müssen, sondern auch irgendwelche Provinznester. Unsere Metropole zum Beispiel an der Kreuzung Königstraße / Sonnenwall, genau vor dem besagten Plus-Laden. Das Problem wird von Lulu folgendermaßen beschrieben. Okay, Lulus gibt es eine ganze Menge; ich dachte ja nur – wegen der Diskretion, Sie verstehen schon. Also gut, die Rede ist von Lulu01; sie schreibt:
Seitdem es den Plus-Laden auf der Königstraße gibt, findet sich regelmäßig ein gewisses Trüppchen zum Saufen auf den davor stehenden Bänken.

Sie petzt dies auf dem Kulturmetropoleninternetportal namens der Westen  - wo sonst, wenn nicht hier, sollte er auch sonst sein, der Westen? Und auch sonst läuft es hier bei uns im Westen, im Rheinischen Kapitalismus, ziemlich gut, besonders vor dem Plus-Laden auf der Königstraße:
Der Nachschub ist geregelt, man hat keine weiten Wege und morgens hält dann noch der Bus "Gegen soziale Kälte" und bringt den Kaffee.
Da freut sich die Lulu, sorry: die Lulu01(Kommentar Nr. 14 zum WAZ-Artikel).
Die Frage ist jetzt nur, wie lange unserer schnuckeligen kleinen Kulturmetropole diese puzzelige Idylle noch erhalten bleiben wird? Ich sehe da ernste Gefahren.
Nein, nicht weil irgendwelche Hinterwäldler ein Alkoholverbot in der Öffentlichkeit fordern. Stopp, wir sind eine Kulturmetropole, will sagen: das Prosit im Freien bleibt.
Lulu bleibt, das gewisse Trüppchen bleibt, und irgendwie bleibt auch der Plus-Laden – aber eben auch nur irgendwie. Sie wissen doch: auch für ihn wird es kein Entrinnen geben; denn irgendwie sind auch seine Tage gezählt. Nicht mehr lange, und dann heißt auch er … Netto.
Jetzt sagen Sie mal nicht einfach, das sei doch Pott wie Deckel! So einfach ist das mal alles nicht. Wissen Sie denn eigentlich, ob das Sortiment gleich bleibt? Wissen Sie überhaupt, was aus den kleinen Preisen wird. Im Lebensmittel-Einzelhandel, insbesondere bei den Discountern kommt es nämlich auf jeden Pfennig an. Oder Cent. Die kleinste Verschiebung kann da richtige Erdbeben auslösen.
Ich gebe Ihnen ein Beispiel. Die Jungs vom gewissen Trüppchen da vor dem Plus auf der Königstraße. Die wissen ganz genau, wie viele Cents sie noch brauchen, um für zwei leere Bierflaschen eine neue volle kaufen zu können. Ja, das sind zwar Plastikflaschen, aber doch Pfandflaschen. Plastik ist auch sicherer. Und dass Plastikflaschenbier schlechter schmecken soll als Bier aus Glasflaschen, habe ich noch nicht feststellen können. Sicher, das ist natürlich Geschmacksache.

„Es ist deine Stadt. Es ist deine Metropole. Es liegt in deiner Hand.“ Vermutlich das Plastikflaschenbier. Ob die Jungs vom gewissen Trüppchen wohl wissen, wie das jetzt alles werden soll unter Netto? Im neuen Manager-Magazin soll ein Artikel drin sein über Plus und Netto und so. Aber das lesen die ja nicht, die Jungs von der Königstraße. Ich habe das ja neulich schon einmal erzählt, ich habe das im Abo. Nein, nicht das Plastikflaschenbier, boah! Das Manager-Magazin. Ein richtig großer Artikel, da werden einige ganz schön drunter zu leiden haben, über dieses „Mehr Netto, kein Plus“, vor allen Dingen die bei Lidl.
Ja, ich weiß auch, dass es weder auf der Königstraße noch auf dem Sonnenwall einen Lidl gibt. Boah ey! Die haben trotzdem drunter zu leiden, die von Lidl – kann ich Ihnen vielleicht ein anderes Mal erklären.
Jetzt müsste ich doch eigentlich darlegen, ob Preis und Sorte des Plastikflaschenbiers gleich bleiben, wenn der Plus-Laden auf der Königstraße Netto heißt. Oder ob man die alten Plus- Plastikflaschen auch bei Netto abgeben kann. Müsste eigentlich …
Dennoch: die Gefahr ist real. Nein, nicht die SB-Warenhauskette; ich meinte real im Sinne von wirklich. Stellen Sie sich nur einmal vor, das gewisse Trüppchen würde sich von den Bänken vor Plus auf der Königstraße verziehen, nur weil der Schuppen jetzt Netto heißt. Wie sähe denn das aus?! Wären wir dann eigentlich noch eine Kulturmetropole, wenn sich an der wichtigsten Kreuzung der Welt - dort, wo sich die beiden ruhmreichen Boulevards begegnen – niemand fände, der sich auch in den Wintermonaten nicht scheut, großstädtisches Flair zu verbreiten.
Auf den Schäden, die die kapitalistische Monopolisierung anrichtet, bliebe natürlich - wie immer – die ohnehin schon klamme Stadt sitzen. Eine winzige Änderung beim Plastikflaschenbier könnte zum Image-Desaster in Sachen Kulturhauptstadt werden. Gegenstrategien der öffentlichen Hand sind gefragt. Ich würde in diesem Fall der Fälle dem Kulturmanager des Jahres 2009 empfehlen, mal eine Dienstreise nach Hagen klar zu machen. Dort könnte er sich dann vor Ort davon überzeugen, wie das so läuft, wenn die Stadt als Biergarten-Betreiber auftritt.
Die sind da sowieso ziemlich hart drauf, die in Hagen. Was die alles draußen machen, die Hagener; ein ganzes Museum haben die so einfach in die Landschaft gestellt. Name: Freiluftmuseum.

Da sparen die bestimmt eine Menge an Heizkosten. Nun ja, wir müssen ja nicht alles eins zu eins übernehmen. Aber ein städtischer Biergarten, also so eine Art Totalkommunismus, das wäre doch mal was. Wenn die bei Netto das falsche Plastikflaschenbier anbieten sollten, wird Duisburg ohnehin nichts Anderes übrig bleiben. Wir neigen allzu oft dazu, Probleme zu verdrängen.
Zumal jetzt, wo bald der Weihnachtsmarkt startet. Da ist an der Kreuzung Königstraße / Sonnenwall wieder richtig was los. „Noch einen Glühwein mit Schuss, bitte!“ Die Lulu ist da ja nicht so für. Ich werde mit ihr dann mal zum Freilichtmuseum Hagen fahren. Da ist alles wie im Mittelalter. Da gehört sie hin, die Lulu. Und deshalb lasse ich sie dann auch da.
Und wenn ich dann zurück in Duisburg bin, dann gehe ich auf unseren Weihnachtsmarkt. Kreuzung Königstraße / Sonnenwall. Glühwein mit Schuss. Nach der ganzen Fahrerei gebe ich mir dann richtig die Kante. Und wenn es unbedingt sein muss, schon morgens.

Werner Jurga, 01.11.2009

 

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