Liberale wählen SPD

Die politische Internet-Zeitung aus Duisburg

Seit einiger Zeit bin ich mit der Blogger-Szene etwas über Kreuz bezüglich des – am Donnerstag dann verabschiedeten – sog. „Zugangserschwerungsgesetzes“. Mein letzter Text, nämlich mein Coming Out „Ich bin kein Liberaler“ konnte nicht wesentlich zur Entkrampfung des ein wenig angespannten Verhältnisses beitragen.
Na klar: die Internet-Meister haben ja Recht. Das Gesetz gegen die Kinderpornographie im Netz ist gar keins. Die Stopp-Schilder sind relativ leicht zu umgehen, aber die Videos mit dem kriminellen Tun sind immer noch im Netz. Es muss darum gehen, diese unsäglichen Dinge aus dem Web zu entfernen anstatt den Zugang dazu zu erschweren. Klar.

Piraten und Barone

Ich hatte mich dennoch mit den Piraten und Baronen und all den Masters of Internet angelegt, weil ich denke, dass dies nicht ganz so einfach ist, weil auch ein Symbol gegen Kindesmissbrauch wichtig ist, weil ich das Gespenst vom drohenden Überwachungsstaat im Netz für maßlos überzogen halte, und weil mir die elitäre Arroganz der jungen, gebildeten Freiheitswächter auf den Keks gegangen ist. Sie konnten nicht mehr als sich selbst mobilisieren, maßen sich aber an, die letzte Hoffnung in der Verteidigung der von Frau von der Leyen zum Abschuss freigegebenen Freiheit zu sein.
Was aber, wenn wirklich einmal eine erzreaktionäre Regierung die Axt an die Grundrechte anlegen sollte? Würde man nach dieser Nummer all den Piratenbaronen noch Glauben schenken? Würde man mir glauben, wenn ich dann sagen würde: „So Leute, diesmal ist es wirklich ernst!“ ?
Wie dem auch sei: meine Einwände gegen die Kampagne sind nicht auf wohlgesonnenen Widerhall gestoßen. Im Gegenteil: man tut sich schwer mit der eigenen Niederlage, und mein bereits erwähnter nicht-liberaler Text konnte folglich keinen Applaus finden. Als Reaktion erreichte mich vielmehr eine eMail mit dem Grünen-Zitat "Wirtschaft können sie nicht, Öko wollen sie nicht, und Soziales haben sie aufgegeben." Und der Anmerkung: Und mit Grundrechten habt Ihr es ja auch nicht so ...

SPD und Grundrechte

Wie bitte?! Die SPD hat es nicht so mit den Grundrechten? –
Jetzt hieß es: cool bleiben! Nur nicht provozieren lassen! Auf der Suche nach einer zielgruppenorientierten Antwort, nämlich einen Grund, SPD zu wählen, fiel mir dieses hier ein:

Lass mich nachdenken ...
Tja, sagen wir mal, so als ein Beispiel: die SPD als Partei der Freiheit. Also für Liberale sozusagen gesetzt.
Als das kleinste liberale Übel. Oder muss es "das kleinste Übel für Liberale" heißen? Egal, unstreitig wird dies durch den Blick auf die Konkurrenz:
CDU und Linkspartei scheiden als Bürgerrechtsbewegungen aus, wie ist es mit den beiden sich liberal wähnenden Parteien?
Die Grünen - gegründet als Partei der Spaßbremsen, die alles und jedes verbieten wollte, und (im Ernst) eine innerparteiliche Diskussion über die Notwendigkeit einer Öko-Diktatur" geführt hat (übrigens mit Rudolf Bahro als Frontman) - haben tatsächlich im Laufe der Jahre beträchtliche Fortschritte gemacht. Aber schau Dir ihre Basis an!
Und die Führung wird immer noch von den Gründern dominiert, also ehemaligen ML´lern aus den diversen K-Gruppen. Ich erinnere noch gut die Litaneien vom Imperialismus und vom unverschämten Konstrukt der Bourgeoisie namens "Menschenwürde".
Wie gesagt: unbestreitbar haben sie Fortschritte gemacht. Gemeint ist: Richtung Liberalität, darüber rede ich ja gerade. Programmatisch, meine ich. Jedenfalls im Großen und Ganzen. Konkret ist mir jedoch nichts bekannt, wo z.B. im Strafgesetzbuch die Grünen Straftatbestände aufheben wollen oder auch nur den Strafrahmen reduzieren möchten. Ich glaube, selbst beim § 218 nicht mehr. Beim BTM kenne ich deren Beschlusslage nicht so genau; aber legal Kiffen möchten ja auch die Julis.
Kommen wir also zur FDP, die das Wort "liberal" stolz im Logo führt. Ich darf es hier etwas kürzer machen (?) und mich begnügen mit Verweisen auf die häufige Dissidenz von Schnarre, Baum, Hirsch und Konsorten. Oder auf die sog. "Stahlhelmfraktion". Ein Blick auf die soziale Basis der FDP mag genügen, und in der Atemluft spürt man kein bisschen Spirit of Freedom. Keine Frage: wird statt der SPD im Herbst die FDP der neue Koalitionspartner der Union, werden - vermeintlich im Deal gegen kräftige Steuersenkungen - so manche CDU-Wünsche nach Abbau von Freiheitsrechten ganz flott Wirklichkeit.
Deshalb: stimmen Sie für die Freiheit! Wählen Sie SPD!
Ob nun gern oder ungern: ich wüsste nicht, welches Votum mehr für den Erhalt der Grundrechte bringen könnte!

In diesem Sinne

Werner Jurga, 21.06.2009

 

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