Kita-Streik

Die politische Internet-Zeitung aus Duisburg

Heute bleibt die Küche kalt;
heut gehn wir in den Wienerwald.

Glückliches Rheinhausen.
Heute bleibt die Kita zu … Moment bitte, ich habe gleich was.
Erst einmal etwas Anderes. Ich stehe auf der Seite der Erzieherinnen. Damit das schon mal völlig klar ist. Denn die haben wirklich einen Knochenjob. Der auch noch schlecht bezahlt wird, weil er gesellschaftlich nicht die notwendige Anerkennung erfährt. Oder umgekehrt. Apropos Reimen:
Heute bleibt die Kita zu; und dann irgendetwas mit und raus bist Du!

Ja, da könnte noch etwas draus werden; aber Reimen allein genügt ja nicht, es muss auch – wie sagt man denn? Rhythmen? Nee, kann nicht. Egal, Sie wissen schon: es darf sich nicht so anhören wie eine Familienanzeige in der Tageszeitung.

Heute bleibt die Kita zu;
denn es wird gestreikt!

Wow! Echter Kracher! Wie bitte? Das sei gar kein Gedicht, weil es sich weder reimt noch – ach, Sie wissen schon. Nein, im Gegenteil: Sie wissen nichts! Sagen wir mal: fast nichts. Jedenfalls nichts über moderne Lyrik. Ein Gedicht muss sich nämlich gar nicht reimen, und es braucht auch keinen Rhythmus zu haben. Heutzutage nicht mehr. Ätsch! Jetzt wissen Sie es. Wissen Sie wenigstens, was ein Jambus ist? Oder ein Trochäus? Dachte ich mir es doch.
Heutzutage muss man aber auch so viel lernen; denn es kommt ja ständig neues Wissen hinzu. Ideal wäre natürlich, wenn man zum Beispiel sowohl wüsste, was ein Jambus ist als auch ein Server. Und deshalb, ja genau: deshalb … kann man mit dem Lernen auch gar nicht früh genug anfangen. Am besten schon mit …, sagen wir es mal so: am besten schon in der Kita. Sie wissen schon … okay, lassen wir das! Kita ist die Kurzform für Kindertagesstätte oder Kindertageseinrichtung. Und weil das nämlich genau so ist, wie ich es gerade gesagt habe, können wir auch sagen: Bildungseinrichtung. 

Gut, da gibt es – später dann, im Laufe des Lebens – auch noch andere; sonst hieße es ja Bidu. Aber eine Kita ist eben auch eine. Eine Bildungseinrichtung. Da muss niemand hin. Denn es ist ja auch möglich, dass die Mutti auch ein bisschen was weiß. Ebenfalls möglich, wenngleich wenig wahrscheinlich, ist es, dass die Mutti sogar kochen kann. Ja ich weiß, Emanzipation und so, der Vati könnte ruhig auch mal kochen. Könnte schon; nur; dass der es wirklich kann, ist natürlich noch unwahrscheinlicher.
Und deshalb, ja genau: deshalb gibt es in der Kita etwas zu essen. Okay: auch deshalb. Ein schmackhaftes Frühstücksbüffet, das auch auf die Speisevorschriften der muslimischen Kinder Rücksicht nimmt. Und ein warmes Mittagessen, das eigentlich nur und immer auf die muslimischen Kinder Rücksicht nimmt, was ja auch völlig in Ordnung ist, jedenfalls solange Ihre Eltern nicht Hindus sind … oder Sie so verwöhnt sind wie ich. Als Kind, versteht sich.
Gewiss: ein voller Bauch studiert nicht gern. Ein leerer aber auch nicht, womit vielleicht auch für Sie etwas erklärlicher wird, dass es selbst an der Uni eine Mensa gibt. Und für die nicht ganz so Großen, aber schon der Kita Entwachsenen – nennen wir Sie der Einfachheit halber ganz einfach mal: Schüler – gibt es einen Landesfond "Kein Kind ohne Mahlzeit"

Heute bleibt die Kita zu;
es wird gestreikt, und raus bist Du.

Nehmen Sie den Rhythmuswechsel einfach mal als Stilelement! In der ersten Zeile der ein wenig hämmernde Trochäus, der abrupt vom Ruhe suggerierenden Jambus abgelöst wird. Die Form muss nämlich auch zum Inhalt passen.
Nun könnte das Kita-Kind also seine Ruhe haben – jedenfalls solange, bis sich der kleine Hunger meldet. Aber da werden die Eltern gewiss vorgesorgt haben. Dann wird eben mal zu Hause gekocht, glauben Sie. Sorry, Sie wissen – siehe oben - wirklich absolut Nichts.
Aber es gibt ja durchaus andere Möglichkeiten. Alternativen: Oma, Tüte Chips, gemeinsamer Besuch bei Mc Donald´s. Nur eine Möglichkeit ist halt ausgeschieden: die Kita; denn die hat ja zu. Dafür haben freilich die meisten Eltern Verständnis, behauptet ver.di, ohne uns allerdings mitzuteilen, warum die Eltern dafür Verständnis haben sollten. Entweder stimmt das also nicht so ganz hundertprozentig mit dem Verständnis, oder es liegt an den vielfältigen Speisealternativen, oder an beidem.

Egal, heute geht es einmal nicht um die Eltern, sondern um die Erzieherinnen. Das ist halt höhere Gewalt. Die streiken nämlich. Warum? Zu Recht! Wofür?
Ja, das ist doch logisch. Sie streiken, damit das, warum sie zu Recht streiken, jetzt endlich einmal abgeschafft wird! Da hätten Sie aber auch selbst drauf kommen können. Oder Sie gucken einfach mal die Tagesschau; das ist natürlich etwas altmodisch, aber dann wüssten Sie immerhin Bescheid.
"Mit diesem Ergebnis haben die bei ver.di organisierten Erzieherinnen, Sozialpädagogen und Sozialarbeiter deutlich gezeigt, dass sie bereit sind, für einen Gesundheitstarifvertrag zu kämpfen, um bessere Arbeitsbedingungen zu erreichen", sagte Bundesvorstandsmitglied Achim Meerkamp.

Wie das jetzt genau gehen soll, klar: das kriegt man nicht immer in der Tagesschau untergebracht. Da muss Unsereins schon selbst recherchieren. Bei Reuters zum Beispiel können wir lesen:
Verdi fordert die Abschaffung "krankmachender Arbeitsbedingungen"  - na bitte! - und einen Anspruch der Beschäftigten auf die Ermittlung von Gefahren am Arbeitsplatz.

Richtig! Das muss jetzt wirklich einmal wissenschaftlich untersucht werden, dass es in der Kita immer so unglaublich laut ist, und dass dieses Sitzen auf den Kinderstühlen ganz schön in den Rücken geht, genauso wie das ständige Schleppen übergewichtiger Blagen. Aber da kannst Du ja mit dem Arbeitgeber nicht drüber reden! Ja sicher: der Arbeitgeber, was soll man denn sonst sagen; das ist doch kein Kapitalist, der Adolf Sauerland. Na also!
Letzte Woche schon hat die taz in einem längeren Bericht über die Kita-Streiks ganz klar festgestellt:

Kinder hüten macht krank

Und da steht klipp und klar: Verhandlungen mit den Tarifpartnern über einen Gesundheitstarifvertrag, in dem Ver.di eine jährliche Überprüfung der Belastungen festschreiben will, sind noch nicht in Gang gekommen. "Die Arbeitgeber machen keine Anstalten, auf uns zuzugehen", sagt der bereits in der Tagesschau zitierte zuständige Funktionär.
Na, wenn das kein Grund ist zu streiken! Aber wofür bloß? Gibt es eine Forderung? Klar: es soll regelmäßig festgestellt werden, dass Kita-Arbeit krank macht. Aber dann?

Schauen wir am besten mal bei ver.di nach. Prima! Da erfahren wir gleich auf der Startseite von den guten Gründen für den Gesundheitstarifvertrag in den Sozial- und Erziehungsdiensten. Leider allerdings auch hier nicht, was mit den Ergebnissen des jährlichen Gesundheitsschecks gemacht werden soll. Sollen die Erzieherinnen beim gemeinsamen Frühstück aus ergonomischen Gründen künftig auf Erwachsenenstühlen sitzen? Was aber ist, wenn die Kinder die dadurch entstehende größere Distanz durch lauteres Sprechen zu kompensieren versuchen? Was kann ohnehin dagegen unternommen werden, dass die ständig so rumpalavern? 

Ich will das ja nur wissen, und ich bin auch voll auf Eurer Seite. Der Sauerland nicht. Aber vielleicht muss der das ja auch wissen. Bitte Leute! Man will ja nur helfen. Was tun?

Werner Jurga, 15.05.2009

 

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