1. Der Bürger-Präsident Eine direkte Legitimation durch die Bürgerinnen und Bürger würde die Position des Bundespräsidenten oder der Bundespräsidentin stark politisieren. Wollen wir das? Soll der oder die Populärste, Kantigste oder Eloquenteste den Staat repräsentieren? Ich meine, dass wir aus der Erfahrung des Kriegshelden Paul von Hindenburg gelernt haben sollten. An der Spitze des Staates muss eine Persönlichkeit stehen, die integer, neutral und vor allem besonnen ist. Nur so jemand kann zum Beispiel bei schwieriger Regierungsbildung erfolgreich moderieren. Politischer sollte ein Präsident nicht sein.
2. Parteienstaat Viele Menschen wollen sich nicht einer bestimmten Partei anschließen. Das ist jedermanns gutes Recht. Mancher ärgert sich darüber, wie viel Einfluss die Parteien haben. In einem Staat ohne (offizielle) Parteien würden sich Meinungen und Machtinteressen in Gruppierungen und Netzwerken organisieren. Wäre das besser? Nein. Denn Netzwerke im Dunklen müssen keine Rechenschaftsberichte, keine Parteiprogramme und auch kein Personaltableau aufbieten, um ihre Ziele zu erreichen. Parteien aber schon. Kontrollierte Parteien, unter denen man auswählen kann, sind besser als unkontrollierbarer Klüngel.
3. Volksabstimmungen: Sie schreiben, es hätte nie ein solches Abstimmungsverhalten bei Volksabstimmungen gegeben, wie es Helmut Schmidt unterstellt. Schauen sie sich doch mal genau an, wie die Diskussion in Irland verlaufen ist: Da haben die Menschen nicht über den Vertrag von Lissabon abgestimmt, sondern über Abtreibung, Militäreinsätze und Steuerpolitik. Obwohl nichts davon im Vertrag berührt wird, wurde er mit genau diesen Argumenten niedergestimmt. Auch die Ablehnung der EU-Verfassung bei der Volksabstimmung in Frankreich 2005 war wohl eher ein Referendum über die damalige Regierung als über den Vertrag. Deshalb stimme ich Helmut Schmidt nach wie vor zu: Viele Entscheidungen, die heute von der überwältigenden Mehrheit der Menschen getragen werden, wären bei Volksabstimmungen durchgefallen.
4. Listenkandidaten Da Sie ja bekennender Nichtwähler sind, nehme ich an, dass Sie keiner Partei zuneigen. Allerdings tun Sie der bayerischen CSU einen großen Gefallen. Würde nämlich — wie von Ihnen angeregt — nur direkt gewählt, gäbe es so gut wie keine Abgeordneten der bayerischen SPD, der FDP, der Grünen oder der Freien Wähler in München oder Berlin. Dabei würden auch alle Stimmen verloren gehen, die für unterlegene Kandidaten abgegeben wurden. Schauen Sie lieber einmal genau hin, welche Listenabgeordneten und welche direkt gewählten Abgeordneten eine gute oder schlechte Arbeit machen. Nur dies sollte Kriterium für eine Bewertung sein, nicht das Wahlsystem.
Mir scheint ein Großteil Ihrer Ausführungen abgehoben und wirklichkeitsfremd. Ich kann Ihnen so nicht zustimmen.
Günter Gloser, 03. Juni 2009
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