Gegen eine Bodenoffensive!

Die politische Internet-Zeitung aus Duisburg

Im und am Gaza-Streifen ist jetzt seit einer Woche Krieg. Seit einigen Tagen stehen an der Grenze zum Gaza-Streifen israelische Panzerverbände bereit. Bereit für einen Einmarsch. Vielleicht geht sie jetzt gerade, während ich diesen Text schreibe, los; vielleicht auch nicht:

die Bodenoffensive

Es liegt ein wenig länger als diese Woche seit dem 27. Dezember zurück, aber nicht viel länger. Da wurde mir beschieden, es sei doch amüsant, wie punktgenau ich die Positionen der israelischen Regierung verträte. – Es gibt schlimmere Vorwürfe.
Zumal nicht abzustreiten ist, dass ich auf der Seite Israels stehe. Und wer könnte bestreiten, dass es der israelischen Regierung um den Schutz ihrer Bürger geht. Und um den Bestand des Staates!
Ich kann auch nicht abstreiten, dass mir diese israelische Regierung allemal lieber ist als eine, die von der Likud-Partei, also von Netanjahu, geführt würde. Israel wählt am 10. Februar 2009; der Ausgang der Wahl ist ungewiss. Selbstverständlich hoffe ich auf eine Regierung Barak-Livni, sprich: auf eine Fortsetzung der jetzigen Regierung ohne Olmert.

Aber diese Regierung ist mir nun keineswegs derart ans Herz gewachsen, dass ich ein absolut unkritisches Verhältnis zu ihr hätte. Ich bin – wie man hierzulande gern sagt, um sogleich ein „aber“ anzufügen – ein Freund Israels, aber – da haben wir es auch schon – kein Fan seiner Regierung. So habe ich beispielsweise keinerlei Verständnis dafür, dass nicht nur am Rande Jerusalems, sondern auch mitten im Westjordanland jüdische Siedlungen ausgebaut werden.

der Libanonfeldzug

Oder nehmen wir den Libanonfeldzug vom Sommer 2006. Ich hegte keinerlei Zweifel daran, dass es erforderlich war, gegen die Hisbollah im Südlibanon vorzugehen. Warum jedoch die israelische Luftwaffe Streubomben eingesetzt hatte, blieb mir ebenso verschlossen wie die Frage, warum sie nach Abschluss der Waffenruhe Scheinangriffe auf die deutsche Marine geflogen hatte.
Ich hatte Ende 2006 die Gelegenheit, den damaligen Botschafter in Deutschland, Herrn Stein, diese beiden Fragen zu stellen. Und anstatt diese Fragen mit diplomatischem Geschick vom Tisch zu wischen, hatte Stein geredet und geredet. Aber nichts Substanzielles zu ihrer Beantwortung beitragen können; denn im Grunde hatte er nichts gesagt. Und das, was er sagte, will ich hier erst gar nicht berichten.
Bekanntlich hat sich Israel selbst mit dem Libanonfeldzug und seinen Ergebnissen schwer getan. Der Generalstabschef und der Verteidigungsminister mussten gehen; und der Ministerpräsident ist ein Thema für sich.

Mit diesem Rückblick auf den Libanonfeldzug bin ich keineswegs vom Thema abgewichen; denn ohne ihn bleibt die gegenwärtige „Operation gegossenes Blei“ unverständlich. Diesmal sollte alles anders werden – angefangen bei einem eindeutig definierten Kriegsziel bis hin zu einer klaren Strategie.
Doch schon vier Tage nach Beginn der Operation sah sich Regierungschef Olmert genötigt, seinen Verteidigungsminister Barak vor der Weltöffentlichkeit zu korrigieren, weil dieser in Paris Bereitschaft zu einer Waffenruhe erkennen ließ. Flugs wurde Außenministerin Livni hinterher geschickt, um Israels harte Linie klarzustellen.

der Beschuss Südisraels

Als Kriegsziel wurde einmal ausgegeben, den Beschuss Südisraels zu verunmöglichen, ein anderes Mal – ganz martialisch, die Hamas vollständig zu vernichten. Spätestens hier ist auch für uns Laien ohne weiteres erkennbar, dass ein unrealistisches Ziel ausgegeben wurde: man kann die Hamas nicht vollständig vernichten. Außerdem weisen Experten darauf hin, dass überall dort, wo Hamas die Kontrolle verliert, unverzüglich Al-Qaida – Gruppen das jeweilige Machtvakuum füllen.
Es ist richtig: der Beschuss der Dörfer und Städte im Süden Israels lässt sich nicht allein mit Luftangriffen beenden. Allerdings: er lässt sich auch nicht mit Bodentruppen beenden. Die bittere Erkenntnis: militärisch lässt sich Israel nicht vollständig schützen. Selbst als der Gaza-Streifen noch israelisch besetzt war, feuerte Hamas regelmäßig Kassams auf Sderot. Übrigens: auch die Mauer, die die Westbank vom israelischen Kerngebiet trennt, kann Selbstmordattentate nicht verhindern. Sie kann deren Anzahl deutlich reduzieren, weshalb ich sie auch für legitim halte. Aber sie wird niemals absolut verhindern können, dass diese Typen in Israel eindringen.

Zurück zur geplanten – oder vielleicht und hoffentlich auch nicht geplanten – Bodenoffensive. Noch mal: ein Einmarsch israelischer Truppen in den Gaza-Streifen würde den Raketenbeschuss Israels nicht beenden. Er würde ein unsägliches Blutbad anrichten – auch und gerade unter israelischen Soldaten. Und was die – dann wohl Tausenden – toten Palästinenser beträfe: die Fernsehbilder unterscheiden nicht genau zwischen Kämpfern und Zivilisten. Und Kindern gilt immer unsere Anteilnahme.
Ein Bodenkrieg im am dichtesten besiedelten Gebiet unserer Erde wäre eine humanitäre Katastrophe ohnegleichen. Die politischen Folgen für Israel wären verheerend. Der Weg zu einem Frieden in Nahen Osten, nämlich einer Zwei-Staaten-Lösung, könnte abermals für lange Zeit verbaut sein. Hamas und der Iran hätten ihren großen Sieg, wenn die Fatah und die arabischen Staaten sich der Eskalationsstrategie der Islamisten anschließen müssten.

Werner Jurga, 03.01.2009

 

[Jurga] [Home] [März 2010] [Marxloh stellt sich quer] [Februar 2010] [Januar 2010] [2009] [Dezember 2009] [November 2009] [Oktober 2009] [September 2009] [August 2009] [Juli 2009] [Juni 2009] [Mai 2009] [April 2009] [März 2009] [Februar 2009] [Januar 2009] [2008] [2007] [Kontakt]