Die SPD - noch Volkspartei?

Die politische Internet-Zeitung aus Duisburg

Die SPD wird sowohl bei der Kommunalwahl am 30. August als auch bei der Bundestagswahl am 27. September stärkste Partei. In Duisburg. Bei der Europawahl am 7. Juni lag die SPD in Duisburg mit 35 % deutlich vor der CDU mit 28 %. Und auch bundesweit blieb ihr Stimmenanteil beinahe stabil, während die CDU Verluste in Höhe von fast sechs Prozentpunkten hinnehmen musste.

Dies alles ist wahr; Pressesprecher und Kandidaten der Partei können dies guten Gewissens ungeprüft übernehmen. Wahr ist aber leider auch, dass das Europawahlergebnis eine Zäsur markiert. Ließen sich die 21,5 % bei der Europawahl 2004 noch mit der Enttäuschung der sozialdemokratischen Klientel über die „Agenda-Politik“ gleichsam als ein Betriebsunfall darstellen, so erscheinen die jetzigen 20,5 % fast schon unerklärlich.
Zum Auftakt des Superwahljahrs wurden die Befürchtungen bestätigt, die mit den ebenso verheerenden Umfrageergebnissen für die Partei verbunden sind. Sie bewegen sich gegenwärtig um die 24 Prozent. Und selbst wenn es bei der nächsten Bundestagswahl ein paar Prozentpunkte mehr werden sollten: das „30-Prozent-Ghetto“, wie das mal vor längerer Zeit genannt wurde, scheint für die SPD in unerreichbarer Ferne.
Hier in Duisburg sieht es selbstverständlich anders aus; aber Duisburg ist eine Hochburg der Sozialdemokraten. Dennoch ist auch hier die Zeit der absoluten Mehrheiten schon seit zehn Jahren abgelaufen. Seit dem Herbst 1999.

Von der „roten Republik“ bis zur SPD heute

Bis dahin war in allen Blättern die Rede von der „roten Republik“. Bundespräsident und Bundeskanzler, Bundestag und Bundesrat – alles war rot. Die SPD konnte auf allen Ebenen „durchregieren“ – im Bündnis mit den Grünen, die damals noch völlig unbestritten als links galten, standen sie doch sogar vermeintlich „links von der SPD“. Die „Pizza Connection“, also der Gesprächskreis junger grüner und schwarzer Abgeordneter, war nur Insidern bekannt und wurde von den meisten nicht recht ernst genommen. Denn man lebte in der „roten Republik“, geführt vom „rot-grünen Projekt“; und während man darauf wartete, dass der (Öko-) Sozialismus jeden Moment ausbrechen müsse, gab es mit der NRW-Kommunalwahl 1999 den ersten Dämpfer. Viele andere Revier-Städte wurden – über Nacht, so schien es – schwarz.
Das konnte nun aber wirklich nur ein Betriebsunfall sein. Duisburg jedenfalls blieb noch einigermaßen rot, jetzt eben rot-grün – schlimm genug, aber halt auch nur ein Ausrutscher, so dachte man. Und auch als danach Landtagswahl um Landtagswahl verloren ging, klammerten sich die Genossen noch eine ganze Weile an der Mär vom Betriebsunfall. Auch diese haben freilich ihre Ursachen, nämlich menschliches und / oder technisches Versagen. Irgendjemand ist immer Schuld, getreu dem IBM-Werbespot: „Drucker druckt nicht?! – Der Niemeier war´s!“

2004 konnte die SPD dann einige Rathäuser im Ruhrgebiet zurück erobern. In Duisburg jedoch ereignete sich der größte anzunehmende Betriebsunfall. Freilich war auch hier schnell der - in diesem Fall: die – Schuldige gefunden. Dennoch wollte es sich die Partei nicht zu einfach machen; und so ging es auf eine relativ groß angelegte Fehlersuche. Das ist jetzt fünf Jahre her, und nachdem nur ein Jahr nach dem Super-GAU die SPD nach ihrem Super-Aufhol-Wahlkampf bei der Bundestagswahl ein ziemlich respektables Ergebnis einfahren konnte, sollte dann auch einmal Schluss sein mit Trübsal blasen. Wer hätte denn auch damit rechnen können, dass nach vier Jahren großer Koalition im Bund der Charakter als Volkspartei auf dem Spiel steht?
So weit der Blick zehn Jahre zurück: von der „roten Republik“ bis zur SPD heute. Wir können freilich noch vier Jahre weiter zurück blicken. Da sehen wir Helmut Kohl, den Altkanzler, schon damals nicht mehr ganz so neu. 1995 ließ er kein Fernsehinterview aus, um seine tiefe Sorge um den Zustand der SPD zum Ausdruck zu bringen. Eine Demokratie brauche nicht nur eine starke Regierung (also ihn selbst natürlich), sondern eine starke Opposition. Die SPD erzielte unter ihrem in Urwahl gewählten Vorsitzenden Scharping beinah so schlechte Resultate wie heute. Doch Kohls Krokodilstränen währten nicht lange. Und drei Jahre später wurde er – ein Novum in der Geschichte der Bundesrepublik – abgewählt.

Weil die SPD so gut war? – Eher, weil die Leute nicht länger von CDU/CSU und FDP regiert werden wollten. Ob sich die Geschichte wiederholt? – Vielleicht. Wenn die SPD Volkspartei bleibt.

Werner Jurga, 29.09.2009

 

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