Die Linke zu Antisemitismus und Israel

Die politische Internet-Zeitung aus Duisburg

Kürzlich hat die Bundesgeschäftsstelle der Partei Die Linke auf Wahlprüfsteine einer pro-israelischen Organisation geantwortet. Es ging um die Themen Antisemitismus, Nahost-Konflikt, Israel, Palästina und Iran.
Ich dokumentiere im folgenden die Passagen zum Antisemitismus und zu Israel – aber auch diese nur in Auszügen. Selbstverständlich habe ich nichts aus den Antworten gekürzt; aber ich habe einige Fragen (und die Antworten darauf) weggelassen.
Den vollständigen Text finden Sie hier. Eine Kommentierung meinerseits folgt.

Werner Jurga, 14.09.2009
 

Antisemitismus

Wie schätzt Ihre Partei die derzeitige Situation des Antisemitismus in Deutschland ein?
Auch heute - mehr als 60 Jahre nach der Befreiung vom Faschismus – ist der Antisemitismus keineswegs überwunden. Mehrfach haben wir in Anfragen, Presserklärungen und Anhörungen der Bundestagsfraktion auf die Zunahme von antisemitisch motivierten Straftaten in Deutschland hingewiesen.

Sieht Ihre Partei den Antisemitismus in Deutschland als dringendes Problem oder ist dieser Ihrer Meinung nach eher unbedeutend und wenig verbreitet?
Antisemitismus, ob verbreitet oder eher in der Gesellschaft randständig muss immer entsprechend bekämpft werden. Leider gehen von der Bundesregierung keine ausreichenden Initiativen zur Bekämpfung des Antisemitismus hervor. DIE LINKE fordert daher die aktive Förderung und Verbreiterung des jüdischen Lebens in Deutschland – dazu gehört insbesondere die Unterstützung der kulturellen, akademischen und gesellschaftlichen jüdischen Einrichtungen; eine sofortige und konsequente Ahndung aller antisemitisch motivierten Straftaten; den Erhalt und die finanzielle Absicherung von Projekten, die sich gegen Antisemitismus, Rechtsextremismus und Rassismus richten sowie einen regelmäßigen Bericht zum Thema Antisemitismus, der von unabhängigen Experten im Auftrag des Bundestages erstellt wird und in dem konkrete Maßnahmen zur Bekämpfung des Antisemitismus vorgeschlagen werden.

Betrachten Sie Antisemitismus als Teil von Rechtsextremismus, Rassismus oder Fremdenfeindlichkeit, oder sehen Sie Antisemitismus als eigenständiges Problem?
Antisemitismus ist ein eigenständiges Problem. Es wirkt über die rechtsextremistischen Kreise hinaus. Antijüdische Ressentiments existieren auch in der Mitte der Gesellschaft und sie existieren auch innerhalb jener Teile, die sich ansonsten als Gegner von Fremdenfeindlichkeit bezeichnen.

Im November 2008 wurde vom Bundestag eine Antisemitismusresolution inkl. einer Antisemitismusdefinition verabschiedet, die i.B. auch die neueren Formen des Antisemitismus beinhaltet. Ist Ihnen diese Definition bekannt? Wie steht Ihre Partei zu dieser Definition? In wie weit kann, bzw. sollte diese Definition aus Ihrer Sicht Anwendung in der Bundesrepublik finden?
Die Fraktion DIE LINKE hat dieser Resolution im Bundestag zugestimmt und eine eigene, wortgleiche Resolution eingebracht. Wir bedauern in diesem Zusammenhang die mangelnde Bereitschaft aller anderen Bundestagsfraktionen, eine fraktionsübergreifende  Resolution zur Bekämpfung des Antisemitismus zu verabschieden.

Im Falle einer Regierungsbeteiligung, plant Ihre Partei Gesetzesentwürfe oder Anstöße zum Thema Antisemitismus? Wenn ja, welche?
Die Frage der Regierungsbeteiligung stellt sich für DIE LINKE zum jetzigen Zeitpunkt nicht. Auch in der nächsten Legislatur wird unsere Partei jedoch mit Gesetzesinitiativen zur Bekämpfung des Antisemitismus in Erscheinung treten, um die oben genannten Forderungen umzusetzen. DIE LINKE wird sich dafür einsetzen, dass das Verbot der NPD wieder auf die Tagesordnung gesetzt wird.
 

Israel

Wie schätzt Ihre Partei den Staat Israel ein? Wurde dieser rechtmäßig gegründet; hat er ein Existenzrecht wie die meisten Staaten der Welt?
Für DIE LINKE gilt, dass Deutschland wegen der furchtbaren Verbrechen der Deutschen an den Jüdinnen und Juden während des Nationalsozialismus eine besondere Verantwortung gegenüber Israel hat. Diese Verantwortung ist nicht relativierbar; sie schließt das Bemühen um einen palästinensischen Staat und die Garantie des Existenzrechts Israels ein.

Halten Sie Israel für eine offene Demokratie, oder für einen unterdrückenden und diskriminierenden Unrechtsstaat?
DIE LINKE anerkennt die Leistung des Staates Israels hinsichtlich der Bewahrung demokratischer Verhältnisse – einschließlich einer demokratischen Öffentlichkeit – während der vergangenen 60 Jahre. Allerdings muss sich Israel noch stärker als bisher am Völkerrecht orientieren. 

Wie stehen Sie zu Israels Forderung als „jüdischer“ Staat anerkannt zu werden? Halten Sie das für eine berechtigte Forderung an Israels Nachbarn und an den Rest der Welt?
Als jüdischer demokratischer Staat kann Israel nur dann überleben, wenn er auch Staat all seiner Bürger ist. Die Verwirklichung des Selbstbestimmungsrechts des jüdischen Volkes darf nicht zu Lasten der 20% Minderheit gehen.

Wie steht Ihre Partei zu den israelischen Siedlungen?
DIE LINKE fordert den sofortigen Stopp des Siedlungsbaus und der Landkonfiskation in den besetzten Gebieten.

Wie steht Ihre Partei zu dem „Rückkehrrecht“ der Palästinenser, i.B. in das Kernland Israels?
DIE LINKE setzt sich ein für eine umfassende Regelung für alle palästinensischen Flüchtlinge auf der Grundlage der Resolution Nr. 194 der UN-Generalversammlung oder / und den Vorschlägen der Genfer Initiative. Dabei muss ein Weg zwischen Rückkehr und Entschädigung gefunden werden.

Könnten Sie sich vorstellen, dass Deutschland Zwangsmassnahmen oder einen Boykott gegen Israel beschließt, wenn es sich nicht so verhält, wie von Deutschland oder von der EU gefordert?
Aufrufe zum Boykott israelischer Waren, wie sie  im Rahmen der internationalen Kampagne „Boycott, Disinvestment and Sanctions“ gegen Israel erhoben werden, können von der Partei DIE LINKE auch aus historischen Gründen nicht mit getragen werden. Stattdessen fordern wir die internationale Gemeinschaft dazu auf, sich für ein Importverbot solcher israelischer Waren einzusetzen, die aus den Siedlungen in den besetzten palästinensischen Gebieten stammen. Weiterhin setzt sich DIE LINKE mit Nachdruck dafür ein, dass Israel und andere Staaten der Region nicht länger mit Waffen und anderem Kriegsgerät beliefert werden.

Nahost-Konflikt

Würde Ihre Partei den Staat Israel im Falle einer neuen kriegerischen Auseinandersetzung mit Hamas, Hisb'Allah, Syrien oder Iran unterstützen oder verurteilen?
Israel hat das Recht, sich bei einem Angriff im Rahmen des Völkerrechtes zu verteidigen. Dies Recht schließt aber auch die Einhaltung der Verhältnismäßigkeit der Mittel ein. Ein Präventivkrieg stellt keine Wahrnehmung des Rechts auf Selbstverteidigung dar.

Wie sieht Ihre Partei die letzten kriegerischen Auseinandersetzungen Israels mit der Hisb'Allah im Libanon und Hamas im Gazastreifen?
DIE LINKE anerkennt das Selbstverteidigungsrecht des Staates Israel. Alle Staaten und Konfliktparteien sind jedoch gleichermaßen dem Völkerrecht verpflichtet. Niemand hat das Recht, sich über das Völkerrecht zu stellen und nach selbst definierten Standards zu handeln. Deshalb verurteilt DIE LINKE zum Beispiel die israelische Blockade des Gazastreifens, welche eine Kollektivstrafe für die 1,5 Millionen Menschen in Gaza darstellt, die das Völkerrecht ausdrücklich verbietet. Eine Lösung im israelisch-palästinensischen Konflikt ist mit militärischen Mitteln nicht herbeizuführen.

 

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