Der Dreikampf

Die politische Internet-Zeitung aus Duisburg

Nach dem Fernseh-Duell am Sonntag Abend, das natürlich langweilig verlaufen musste, kam es am Montag Abend in der ARD zum Dreikampf. Ich bin aber nicht dazu gekommen, mir die TV-Diskussion mit Westerwelle, Trittin und Lafontaine live anzusehen; also holte ich dies am Dienstag Morgen nach. Da hatte ich allerdings schon die Kommentare der Tagespresse durchgesehen, weil ich wissen wollte, wer gewonnen hatte.
 

Dreikampf, Klappe Eins

Dagmar Dehmer hatte schon abends vor Viertel nach Elf, also nicht einmal eine Stunde nach Ende der Sendung, ihren Kommentar online. Für den Berliner Tagesspiegel, der zu Recht hoch angesehenen Hauptstadtzeitung, schrieb sie, dass Westerwelle selbst dann nicht mit der Wimper zuckte, als er mit Blick auf den in München totgeschlagenen Mann in der S-Bahn sagte, er sei „sehr traurig, wie jeder mitfühlende Mensch“. Also achtete ich beim nachträglichen Betrachten der Sendung ganz besonders auf Guidos Wimpern-Klimpern.
Die Sache gestaltete sich nicht ganz so schwierig, weil die zur Debatte stehende Passage schon ganz am Anfang der Sendung lief. Und – was soll ich Ihnen sagen?! Er hat! Frau Dehmer muss da etwas übersehen haben. Tatsache ist, Herr Westerwelle hat mit der Wimper, exakter: mit den Wimpern gezuckt. Wie Wimpern halt so sind. Sie zucken. Eigentlich immer.
Insofern dürfte diese unglaubliche Geschmacklosigkeit der Tagesspiegel-Redakteurin wohl dadurch zu erklären sein, dass sie den Mann, seine Politik und / oder beides nicht mag.

Der Dreikampf war – entschuldigen Sie das etwas nebulöse Adjektiv – interessant. Die Positionen trafen, jedenfalls für die heutige Zeit, den herrschenden Zeitgeist, teilweise recht hart aufeinander. Mitunter ging es sogar richtig zur Sache. Dennoch ließen auch diese drei Herren keinen Zweifel daran, dass ihnen die Benimmregeln geläufiger waren als den Politikern vor einigen Jahrzehnten. Mitunter, wenn auch deutlich seltener, stimmten sie sogar in politischen Fragen überein.
So zum Beispiel in der Frage, welche Konsequenzen politisch aus dem Vorfall in der Münchener S-Bahn zu ziehen seien. Und sie hatten Recht darin:
 

Dreikampf, Klappe Zwei

Der Ruf nach höheren Strafen, also längeren Freiheitsstrafen, wie er jetzt aus der CSU, z.B. von der bayerischen Justizministerin Beate Merk, kommt, hilft schlichtweg kein bisschen weiter. Niemand kann glauben, dass die beiden Täter von dem Tötungsdelikt abgehalten worden wären, hätten sie statt zehn oder fünfzehn Jahren zwanzig oder dreißig Jahre Knast in Aussicht. Und, wenn ich die Herren Oppositionspolitiker ergänzen darf: lange Freiheitsstrafen sind nicht nur zwecklos, sondern auch schädlich, erschweren sie doch die Resozialisierung und erhöhen die Rückfallquote. Meistens stehen im Tagesspiegel vernünftige Dinge, so auch hier:
Die Sühne, die Frau Merk da fordert, entspricht einer menschlichen Regung – nur können wir sie uns schlicht nicht leisten.
Westerwelle, Trittin und Lafontaine waren sich auch einig, dass mit mehr Videokameras dem Problem nicht Herr zu werden ist. Sie werden sich daran erinnern können, dass Ende 2007 zwei Jugendliche einen pensionierten Lehrer in einem – ebenfalls – Münchener U-Bahnhof mit Schlägen und Fußtritten lebensgefährlich verletzt hatten. Wir haben die Bilder wieder und wieder im Fernsehen gesehen, eine Videokamera hatte den Tathergang gefilmt.

Diesmal hatten die Täter keinen Migrationshintergrund, diesmal ging es nicht um eine vermeintliche Nörgelei eines älteren Herrn („Zigaretten ausmachen!“), diesmal ging es darum, Kinder vor den Attacken jugendlicher Krimineller zu schützen, diesmal ging es um, nein: gegen die Zivilcourage.
Es ist so entsetzlich. Ein Mann, etwa in meinem Alter, stellt sich diesen Typen in den Weg … und wird kalt gemacht. Mir fallen spontan mehrere Situationen ein, in denen ich in einer vergleichbaren Situation war. Zugegeben, es ist schon etwas her. Jedenfalls ist mir nichts passiert. Mir geht dieses Ereignis in München aber nicht so richtig aus dem Kopf. Vielleicht auch deshalb, weil mir so richtig Kluges dazu wirklich nicht einfällt.
Na klar, wir brauchen mehr Polizeibeamte, wie die drei Oppositionspolitiker unisono gefordert haben. Wie viele? Wie viele will und kann diese Gesellschaft und dieser Staat bezahlen? Wäre dies die Lösung oder „nur“ ein Dagegenhalten? Kann man als Linker demnächst immer guten Gewissens spontan dagegen protestieren, wenn – z.B. in Duisburg – private Sicherheitsleute im Einsatz sind?

Erwarten Sie von mir keine Antwort! Ich weiß das alles nicht. Ich spüre, wie aus meiner Ratlosigkeit und Ohnmacht Zorn und Wut erwächst. Und ich verspüre die, wie es oben hieß, menschliche Regung, Gefängnis für Gaffer zu fordern. Etwa fünfzehn Leute hatten einfach zugesehen, wie diese kaputten Typen diesen mutigen Mann totgeschlagen hatten. Wie gut, dass ich jetzt keinen von diesen Spannern in den Fingern habe! Aber klar, ich weiß es ja: diese braven Ottonormalverbraucher einzusperren, wäre auch absoluter Quatsch. Ein Ordnungsgeld?

 Dreikampf, Klappe Drei

Einen versöhnlichen Schluss gefällig? Darf es noch etwas Jurga-Spott zum Abschied sein? Na gut, überredet.
Ein Dreikampf, liebe Fernsehleute, liebe Pressekollegen, ist etwas Anderes, als wenn drei Leute, jeder gegen jeden, über Politik streiten. Wenn zwei Männer einen dritten totschlagen, ist es erst recht kein Dreikampf. Ein Dreikampf ist – ich weiß das vom Schulsport – ein Wettkampf in drei unterschiedlichen Disziplinen. Sprint, Weitsprung, Schlagballwurf, zum Beispiel. Sie sehen: eine Diskussion mit den drei Vorsitzenden der kleineren Parteien ist etwas völlig anderes.
Es ist nicht zu wünschen, allerdings auch nicht auszuschließen, dass in vier Jahren abermals solch ein Format ansteht, weil Frau Merkel sich partout nicht auf eine Elefantenrunde einlässt. Nennt es dann einfach Mäusedreieck!

Werner Jurga, 16.09.2009

 

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