Dass ich das noch erleben durfte

Die politische Internet-Zeitung aus Duisburg

Dass ich das noch erleben durfte!

So einiges habe ich ja schon erlebt; dieses zum Beispiel mehrere Male: immer wenn sich irgendwelche deutschen Rechtsradikalen irgendwo – meist am Duisburger Hauptbahnhof - zusammengerottet hatten, sammelten sich in der Nähe demokratisch gesonnene Bürger zu einer Gegendemonstration. Die Polizei achtete pflichtgemäß darauf, dass Abstand zwischen beiden Gruppen hinreichend bestand. Und regelmäßig schoben sich linksradikale Autonome in die ersten Reihen vor die Polizeibeamten, um lautstark zu skandieren: „Deutsche Polizisten schützen die Faschisten!“ Ärgerlich.

Deutsche Polizisten schützen Milli Görüs

Die türkische Organisation Milli Görüs vertritt und verbreitet nach Angaben des NRW-Innenministeriums ein Weltbild, das die westliche Zivilisation, ihren Wertekanon und ihr Demokratieverständnis ablehnt. Gekennzeichnet ist diese Ideologie durch ein ausgeprägtes Freund-Feind-Denken, das mit antisemitischem Gedankengut angereichert ist.
Wenn Menschen sowohl die westliche Demokratie ablehnen als auch Antisemiten sind – ich weiß, wie zurückhaltend man mit diesem Begriff umgehen sollte -, dann sind es aber Faschisten. Heute hat Milli Görüs mit etwa zehntausend Teilnehmern in der Duisburger Innenstadt demonstriert. Und deutsche Polizisten schützten die Faschisten – pflichtgemäß. Ich hätte mich zwar nicht getraut anzugreifen. Aber ist schon in Ordnung.

“Gute Zusammenarbeit”

Aber muss das denn sein? Die Polizei bedankt sich bei den Demonstrationsteil-
nehmern bzw. –veranstaltern für die gute Zusammenarbeit.
Dass ich das noch erleben durfte!

Und worin bestand die gute Zusammenarbeit? Also: die Demo lief eigentlich ganz reibungslos. Weiter im Polizeibericht:
Lediglich zwei israelische Fahnen, die in der dritten Etage eines Hauses an der Claubergstraße aus den Fenstern hingen, sorgten für ein kurzes Stocken des Demonstrationszuges auf dem Weg zum Burgplatz.
Gestern hatte ich noch gelesen, Fahnen machen nicht satt. Aber immerhin: sie können für dies und jenes sorgen. Diese Subjekte. Hier für ein kurzes Stocken.
Und da dieser fröhliche Umzug nun sowieso schon einmal von diesen Subjekten, diesen Fahnen, gestoppt wurde, vertrieb man sich die Zeit mit ein wenig Spaß.
Die Demonstranten bewarfen sie mit Schneebällen und anderen Gegenständen …
Gut, so weit, so lustig; aber das ist natürlich nicht der Sinn einer Demonstration. Da muss die Polizei einschreiten!
… bis die Polizei …
… ja, was kann sie in der derart verfahrenen Situation schon machen? Richtig!
… bis die Polizei die Fahnen entfernte.
Die wollten doch provozieren, die Fahnen! Friedliche Friedensdemonstranten provozieren – aber nicht bei uns in Duisburg! Damit das mal klar ist!

Schließlich war die Demonstration angemeldet; die Fahnen bestimmt nicht. Wenn jetzt gerade WM oder EM wäre, gut: da drückt man ein Auge zu. Auch bei einer türkischen Fahne, da ist unsere Polizei gar nicht so.
Aber eine israelische? – Spinner! Bestenfalls.
Klar, dass dann Schneebälle und andere Gegenstände geworfen werden, wie die Polizei sich ausdrückt.

Und was waren das für andere Gegenstände? Die Lokalzeitungen sagen so:
Demonstranten bewarfen mit Schneebällen und Taschenmessern zwei israelische Flaggen.
Taschenmesser - hat man halt schon mal so dabei.
So gesehen, kamen die halt weg zu ihrem eigenen Schutz, diese israelischen Fahnen. Wenn sich nämlich der Deutsche oder, wie in diesem Fall, der Türke über den Juden oder Judenfreund aufregt: ehe dass da was passiert, bringt die deutsche Polizei ihn weg. Ist besser.

Dass ich das noch erleben durfte!
Wenn das der Führer noch hätte erleben dürfen!

Werner Jurga, 11.01.2009

 

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