Böse Pharmakonzerne

Die politische Internet-Zeitung aus Duisburg

Dass die Pharmakonzerne böse sind, weiß ja jeder. Wie das mit deren Medikamenten aussieht, da gehen die Meinungen schon auseinander: die einen sagen so, die anderen so.
Nun hatte ich bereits erwähnt, dass ich an MS erkrankt bin: Multiple Sklerose. Unheilbar. Deshalb sorgt selbstverständlich jeder neue verfügbare Wirkstoff in der MS-community für reichlich Diskussionen. Wundermittel oder Teufelszeug? Chance und Risiko? Rettender Strohhalm oder the final countdown? Ich habe mich heute mal an der Debatte beteiligt.

 Tolle Wirkstoffe?

Stimmt ja: die Pharmakonzerne wollen Profite machen.
Es ist etwa 25 Jahre her, da hielt ich das einem, der schon Oberarzt war, vor. Wir beide machten weder „Bund“ noch Ersatzdienst, sondern waren beim DRK (ziviler Katastrophenschutz); wir hatten keine Zeit zu verschenken.
Er wurde zwischenzeitlich deutscher Laser-Papst, allerdings letzten Sommer verhaftet - mit vollem Namen und allem ab in den Knast und in die Presse. Seine armen Kinder ...
Er wollte wohl auch Profite machen. Ich mochte und mag ihn nicht. Aber vor 25 Jahren kam ich in den Diskussionen gegen ihn nicht an. Obwohl: ich hatte mich fit gemacht zum Thema Machenschaften der Pharmakonzerne. Nix zu machen: „Nennen Sie mir doch mal ein nennenswertes Präparat, das in den letzten Jahrzehnten in den sozialistischen Ländern entwickelt wurde!“ Da konnte ich agitieren, so viel ich wollte: die IG-Farben-Vergangenheit, die hohe Profitrate, die Preisunterschiede international bei Aspirin usw. usf. – Aber unterm Strich musste ich zugeben, dass Medikamente hin und wieder recht nützlich sein können.

Noch mal: der forschenden Pharmaindustrie geht es ums Geld. Bis die einen neuen Wirkstoff haben, müssen die Millionen investieren. Läuft die Sache gut, bekommen sie aber nicht nur die Millionen, sondern Abermillionen und –milliarden wieder raus. Es geht ums Geld.
Fairerweise muss man aber sagen, dass es den Krankenkassen wie den Ärzten auch um´ s Geld geht. Daraus macht die KBV-Mitteilung recht wenig Hehl. Und so wird ein neuer Wirkstoff runtergeputzt bis zum geht nicht mehr, nicht ohne den Hinweis darauf, dass die gegenwärtig üblichen nur die Hälfte kosten. Am besten sei natürlich eine (nicht mehr ganz so aktuelle) Pille, die nicht einmal ein Zehntel kostet. Dass man davon auf die Dauer Krebs kriegt: kein Wort. Dass die ß-Interferone auf die Dauer NAKs (neutralisierende Antikörper) entwickeln – auch kein Wort, wird bei Natalizumab aber dick herausgestrichen.
Die KBV-Mitteilung rät dringend ihren Ärzten (und insofern auch uns Patienten) ab. Mit unverhohlener Tendenz. Ich kenne einige Leute , die das Zeug seit etwa einem Jahr nehmen. Denen geht es so was von besser. Vielleicht liegt es an dem, was – gut versteckt, im Sound der Ärztegeheimsprache – auch in diesem Papier steht:

„Die mittlere Zahl der neuen ... Läsionen im MRT lag in der Verum-Gruppe bei 1,9 und in der Plazebogruppe bei 11,0.“

Auf deutsch: Läsionen, das sind die Entmarkungsherde im Zentralnervensystem, die uns MS-Patienten das Leben ein wenig schwerer machen. Die kann man sehen, auf einer Kernspintomographie (MRT). Und ob einem nun zweimal oder elfmal im Gehirn etwas abpellt, macht dann schon einen gewissen Unterschied aus; sagen wir mal: einen signifikanten.

Werner Jurga, 23.12.2007

P.S.: sollten Sie noch etwas Geld für eine Spende übrig haben, kann ich Ihnen nur wärmstens die Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft (DMSG) Duisburg ans Herz legen. Da bürge ich für die zweckdienliche Verwendung der Spenden. Der größte Teil unseres Etats wird ohnehin auf mein Girokonto überwiesen (nur: für noch einen Cent weniger mache ich es nicht). Der Rest geht an unsere kleine Geschäftsstelle (eine Mitarbeiterin) und für ein Fest einmal im Jahr drauf. Für unsere Selbsthilfegruppen in den Stadtteilen und unsere Kursangebote (Psycho, Gedächtnistraining, Malen, Musik) bleibt da verdammt wenig. Zu wenig. Helfen Sie uns bitte! - Ich frage ganz bestimmt auch nicht nach einer Gehaltserhöhung ...

 

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