Blutbad in Xinjiang

Die politische Internet-Zeitung aus Duisburg

Am Sonntag hat in der Stadt Ürümqi in der Provinz Xinjiang ein Mob aus etwa 3000 Uiguren Jagd auf Chinesen gemacht, auf Han-Chinesen, wie man jetzt so sagt. Dabei sind mehr als 150 Chinesen totgeschlagen und etwa 800 verletzt worden, zum Teil schwer.
Einziges Auswahlkriterium der mordlüsternen Meute war dabei die ethnische Zugehörigkeit ihrer Opfer. Parteizugehörigkeit, Geschlecht, Alter oder gar das individuelle Verhalten im Moment spielten dagegen für die berauschten Gewalttäter keinerlei Rolle. Ein solches Ereignis bezeichnet man gemeinhin als

Pogrom

Wikipedia definiert den Begriff folgendermaßen:
Unter einem Pogrom (m., auch n.) versteht man eine gewaltsame, auch organisierte Massenausschreitung gegen Mitglieder religiöser, nationaler, ethnischer oder andersartig definierter Minderheiten oder Gruppe einer Bevölkerung, oft verbunden mit Plünderungen und Misshandlungen sowie Mord oder Genozid.
Es ließe sich einwenden, dass das Wort Pogrom eng mit den Juden als Opfergruppe verknüpft ist. Vielleicht ist aber dieser Begriff auch allein deshalb nicht treffend für die Ereignisse vorgestern in Ürümqi, weil die Opfer Angehörige der Bevölkerungsgruppe waren, die die Staatsmacht stellt, und die Täter möglicherweise diesen Staat ablehnen. Ich bestehe also nicht auf diesen Begriff.
Ich möchte nur auf die Tatsache hinweisen, dass ein Mob aus etwa 3000 Uiguren Jagd auf Chinesen gemacht und ihnen nach dem Leben getrachtet hat. Sie werden in der heutigen Tagespresse von Ausschreitungen lesen. Sie werden allerdings von allen Blättern von rechts bis links im unklaren darüber gelassen, wer gegen wen ausgeschritten ist. Es mag auch sein, dass von Zusammenstößen berichtet wird, vielleicht auch von Unruhen, gar von einem Aufstand.
Ein Aufstand wird qua definitione von den Unterdrückten gegen ihre Unterdrücker veranstaltet. Und deshalb können Sie auch von mehr als 150 Toten und etwa 800 Verletzten lesen, nur eben nicht, wer wen getötet, wer wen verletzt hat.

Es ist nicht ganz leicht, sich dem Vorwurf zu entziehen, für die Volksrepublik China bzw. für deren Kommunistische Partei Propaganda zu machen. Zum Beispiel auch deshalb, weil zur Stunde, also in den ersten Stunden dieses Dienstags, des 7. Juli, noch nicht klar ist, ob nun das Erwähnen oder das Verschweigen des Anlasses der antichinesischen Demonstration als prochinesische Propaganda zu gelten hat.
In Südchina ist nach der Vergewaltigung eines Mädchens gerüchteweise der Verdacht auf uigurische Wanderarbeiter gefallen. Zwei Uiguren wurden vom chinesischen Mob gelyncht.

Popaganda und Tatsachen

Das Pogrom von Ürümqi als Reaktion, also gleichsam als Rache darzustellen, gilt dabei ebenso als Propaganda für China wie das Weglassen dieser Information. Deshalb habe ich diesen Vorgang so wertfrei wie nur eben möglich erwähnt.

Chinas Behauptung, hier handele es sich um das Werk uigurischer Kräfte „von außen“, ist ganz offensichtlich Propaganda. Und doch wäre es schon sehr erstaunlich, wäre nicht auch der uigurische Widerstand zumindest an der Planung der Massendemonstration beteiligt gewesen.
Es ist unstreitig, dass inzwischen Al Qaida zur stärksten Kraft innerhalb des islamischen Widerstands in Xinjiang avanciert ist. Folglich stellten bislang Sprengstoffanschläge auf zivile Ziele, besonders im Vorfeld der Olympischen Spiele, das „Markenzeichen“ des Widerstands dar. Auch insofern scheint das Morden auf offener Straße bei laufenden (Handy-) Kameras nicht ins Kalkül nationalistischer oder islamistischer Führer zu passen. Eine genauere Beurteilung der Ereignisse ist mir zur Zeit nicht möglich.
Die deutsche Presselandschaft wirkt heute fast wie gleichgeschaltet. Das wäre ausnahmsweise auch in einem freien Land mit pluralistischer Presse so schlimm nicht, wenn die Tatsachen nur ein einziges Urteil erlaubten.

Nur, diese Tatsache, die auch ich freilich aus der deutschen Presse bezogen habe, müsste schon klipp und klar formuliert werden: am Sonntag hat ein Mob aus etwa 3000 Uiguren Jagd auf Chinesen gemacht, von denen mehr als 150 Chinesen totgeschlagen und etwa 800 verletzt wurden.

Werner Jurga, 07.06.2009

 

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