15.11.2007

Die politische Internet-Zeitung aus Duisburg

Mein Gott, Thierse !

Ausgerechnet Sie! Das heißt: ich darf ja „Du“ sagen, wir sind ja Genossen.

Also Wolfgang, gerade Du hast es doch immer so mit der Moral (ist mir schon verdächtig) und dem Anstand (darüber habe ich mich schon ausführlich geäußert).
Und dann so was! Der Dicke hat sich doch überhaupt nicht zu Müntes Rücktritt geäußert. Und dann schmeißt Du derartig mit Dreck, dass ich der scharfen Kritik unserer geschätzten Bundeskanzlerin geneigt wäre zuzustimmen.
Okay, ich bin auch kein Kind von Traurigkeit. Aber da gibt es schon ein paar Unterschiede. Ich bin ein ziemlicher Nobody, Du aber bist Bundestagspräsident (gewesen, aber immerhin noch Vize). Ich mache eine Satire-Webseite, Du machst den Moralapostel. Mein Hobby ist zu spotten, Dein Job ist, Vorbild zu sein.
Warum lässt Du Dich dann zu solch einer Sauerei hinreißen? – Etwa weil sich zur „Verteidigung“ Münteferings die Eheleute Kohl förmlich aufgedrängt hätten?
Quatsch! Eigentlich wollte ich heute an dieser Stelle etwas schreiben über Müntes Motive. Geplanter Beginn: „Stellen Sie sich vor, Ihr Partner oder Sie selbst seien im Rentenalter, eine von Ihnen hätte Krebs im letzten Stadium, und der andere sagt: Schatzi, musst Du verstehen, das Volk braucht mich!“
Aber das hat sich ja jetzt erledigt; das hast Du, Wolfgang, ja freundlicherweise übernommen! Außerdem ist es ja auch keine Schande, wenn man menschliche Entscheidungen für multikausal hält. Auf Deutsch: wir sind in der Lage, mehrere Aspekte zu kombinieren. Für den Franz hat natürlich seine Frau in dieser Situation ganz vorn gestanden. Aber man wird doch sagen dürfen, dass er in der Regierung nicht mehr glücklich war, und dass ihm unsere Partei zwar Zuneigung, aber nicht Bedeutung signalisiert hat.
Das, was Du über Kohl losgelassen hast, darf man allerdings nicht sagen. Man schon nicht, und Du schon gar nicht! Und wenn es nicht wegen Münte war, warum dann? – Du weißt es, ich weiß es, die Medien haben daran erinnert: weil der Dicke Dich vor langer Zeit mal mit Göring verglichen hatte:
„Im September 2002 war er den damaligen Bundestagspräsidenten Thierse schwer angegangen. Das ist der schlimmste Präsident seit Hermann Göring". Der war während der Nazi-Zeit Reichstagspräsident.
Zwei "Spiegel"-Journalisten hatten die Bemerkung Kohls, der im Bundestagsrestaurant zufällig an einem Nebentisch saß, gehört. Der Ex-Kanzler hat sich nie präzise dazu geäußert, ob er diese Bemerkung so formuliert hat.“ (aus: Tagesspiegel, siehe hier)
Wolfgang, das ist 15 Jahre her. Und Kohl, der promovierte Historiker (hihihi) hatte ja schon zuvor Gorbatschow mit Goebbels verglichen. Mir geht es nicht darum, diese beiden Entgleisungen des Birne genannten Altkanzlers irgendwie zu beschönigen. Aber relativieren möchte ich schon: das, was Du Dir da erlaubt hast, war wirklich das letzte. Kohl soll so blöd gewesen sein und Redakteure am Nachbartisch übersehen haben. Das nimmt seiner „Anmerkung“ nichts von ihrer Bösartigkeit. Aber Du hast es mit voller Absicht Redakteuren gesagt. Aus niederen Beweggründen. „Die Rache ist mein!“ sagt der Herr. 

Dr. Birne hat Deine Entschuldigung angenommen. Ich habe gar keine gehört, nur dieses übliche Politiker-Gesülze. Ist wohl nichts mehr mit Moralapostel. Wolfgang, schäm Dich!

 

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