
Peer Steinbrück:
„Stolz, ein deutscher Sozialdemokrat zu sein“
Sonntag, 9. Dezember 2012. Seine Bewerbungsrede auf dem auf dem außerordentlichen SPD-Bundesparteitag am 09. Dezember 2012 in Hannover begann Peer Steinbrück – nach der Begrüßung der Ehrengäste – mit einem Rückblick auf die 150-jährige Parteigeschichte.
Wir sind seit 150 Jahren die Partei, auf die sich die Menschen immer verlassen
konnten, weil unsere Politik von Werten geleitet ist, von Werten, die
unverbrüchlich sind, Werten, die auch nach 150 Jahren nichts von ihrer
Aktualität verloren haben. Es ging und geht nach wie vor um Freiheit und
Demokratie, um Solidarität und gesellschaftlichen Zusammenhalt, um
Gerechtigkeit und Respekt, vor allem um Frieden und Verlässlichkeit gegenüber
unseren europäischen Nachbarn und Partnern.
Die konkreten politischen
Antworten und Lösungen, die wir anzubieten haben, unterliegen in der Tat einem
Zeitenwechsel und den jeweiligen Herausforderungen, die sich neu stellen. Aber
unsere Werte verändern sich nicht: Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität - diese
Werte werden auch in den nächsten Jahren und Jahrzehnten unverändert unsere Richtschnur
sein.
In der Verpflichtung auf
diese Werte bewerbe ich mich als Bundeskanzler für die Bundesrepublik
Deutschland Auf der Grundlage dieser Werte wollen wir, die Sozialdemokratische
Partei Deutschlands, Politik für die Zukunft unseres Landes machen. Immer dann,
wenn Sozialdemokraten regiert haben, ging es diesem Land besser. Immer dann,
wenn Sozialdemokraten regiert haben, haben wir dieses Land vorangebracht.
Im kaiserlichen
Obrigkeitsstaat haben wir zentrale, soziale Errungenschaften, teilweise aus der
Illegalität, durchgesetzt. Wir haben Reichskanzler Bismarck die
Krankenversicherung abgerungen. Wir haben 1919 die erste Republik, die erste
Demokratie in Deutschland auf den Weg gebracht. Wir haben dabei das
Frauenwahlrecht durchgesetzt und mit der Gewerkschaftsbewegung den
8-Stunden-Tag. Es war die Sozialdemokratie, die dies durchgesetzt hat!
Heute wollen wir das
Zwei-Klassen- oder sogar Drei-Klassen-System im deutschen Gesundheitswesen
abschaffen. Und wir wollen gleiche Löhne für Frauen und Männer. Wir wollen
dafür sorgen, dass Arbeit aufgewertet wird und gerechte Löhne gezahlt werden. Und
wir wollen dies wiederum mit der Gewerkschaftsbewegung und allen aufgeklärten politischen
Kräften in unserer Gesellschaft durchsetzen.
Wir waren es, die 1933 die
erste deutsche Demokratie verteidigt haben, wo andere sich dem rechten und
faschistischen Zeitgeist nicht nur angepasst, sondern sogar hingegeben haben.
Am 23. März des nächsten Jahres jährt sich zum 80. Mal die Rede von Otto Wels
auf das Ermächtigungsgesetz der Nazis, mit dem Satz, der einem nach wie vor den
Atem stocken lässt: „Freiheit und Leben kann man uns nehmen, die Ehre nicht!“ Und
es lohnt sich, die nachfolgenden Sätze zu lesen. Was für ein politisches
Vermächtnis!
Ja, ich bin stolz, ein
deutscher Sozialdemokrat zu sein. Wir waren es, die deutsche Sozialdemokratie,
die die Restaurationspolitik der Adenauer- Zeit mit ihrer
Geschichtsvergessenheit gegenüber den Verbrechen der Nazis beendet und mehr
Demokratie gewagt hat.
Heute kämpfen wir gegen die
Neonazis, die Straßen und Plätze in Deutschland unsicher machen, im Osten wie
im Westen, die sogar vor Mord nicht zurückschrecken. Die Bundesregierung
verharmlost diese rechte Gewalt, indem sie rechte mit linker Gewalt gleichsetzt.
Durch die Extremismusklausel erschwert sie sogar noch die Arbeit von
Initiativen gegen rechte Gewalt, indem sie ein Bekenntnis zum Grundgesetz
abverlangt und sie damit unter einen Generalverdacht stellt. Wir werden diese
Extremismusklausel abschaffen, wenn wir dran sind!
Wir erwarten von der
Bundesregierung auch, dass sie sich der Initiative der Länder zu einem Verbot
der NPD anschließt. Wir wissen, dass alleine rechtliche Schritte die braune
Soße noch nicht eindämmen, aber verzichten dürfen wir auf solche rechtlichen
Schritte auch nicht.
Peer Steinbrück, 09.12.2012
Den Wortlaut der vollständigen Rede finden Sie hier.